Kommt Bewegung ins koreanische Polit-Mikado?
26. Dezember 2018Wann passiert endlich was auf der koreanischen Halbinsel? Gibt es bald einem Friedensvertrag? Und wann kommt die Wiedervereinigung? Übergroß sind die Erwartungen nach den historischen Gipfeltreffen und vollmundigen Absichtserklärungen. Aber eine schnelle Lösung oder gar eine rasche Wiedervereinigung kann es nicht geben, dafür ist dieKorea-Krise zu komplex. Alles soll sich verändern, aber keiner wollte sich bislang bewegen. Dieses Polit-Mikado wird im kommenden Jahr hoffentlich beendet. Und schaut man genauer hin, hat sich bereits erfreulich viel bewegt - vor allem zwischen den (noch) getrennten Bruderstaaten.
Zug um Zug zur Einigung
Seoul und Pjöngjang wirken fest entschlossen, allen Widrigkeiten zum Trotz die Annäherung weiter voranzubringen. Mancher Wunsch scheitert bislang noch an den über Jahrzehnten entstandenen Realitäten. Die internationalen Sanktionen gegen Pjöngjang gelten zunächst einmal weiter. So lange ist zum Beispiel eine intensivere wirtschaftliche Kooperation zwischen Nord und Süd nicht möglich.
Die internationale Staatengemeinschaft und allen voran die USA wollen die Sanktionen so lange beibehalten, bis Nordkorea die geforderten konkreten und unumkehrbaren Abrüstungsschritte erfüllt. Nordkorea wiederum fordert eine Lockerung der Sanktionen für sein bisheriges Entgegenkommen. Und solange Pjöngjang keine glaubwürdigen Sicherheitsgarantien bekommt, will es seine nukleare Trumpfkarte nicht aus der Hand geben. Aufgelöst werden kann diese Patt-Situation wohl am ehesten bei einem erneuten Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim, das vermutlich im Frühjahr stattfinden wird.
Der Weg ist das Ziel
Optimistisch stimmen dagegen die vergleichsweise kleinen Errungenschaften, die in den letzten Monaten erzielt wurden und die vor wenigen Monaten noch undenkbar waren. Nach Jahren der Eskalation wurde die Konfrontationsspirale durchbrochen und die Sprachlosigkeit beendet. Fast schon regelmäßig treffen sich hochrangige Delegationen oder auch die Regierungschefs. Potentielle Gefahrenquellen an der innerkoreanischen Grenze wurden abgebaut, beide Seiten zogen einige Militärposten entlang des Todesstreifens ab, sammelten Minen ein und reaktivierten den "heißen Draht", der jegliche ungewollte Provokation frühzeitig verhindern soll.
Konkrete Kooperationspläne
Sehr gerne würden Seoul und Pjöngjang auch wirtschaftlich enger zusammenarbeiten. Zum Beispiel wollen sie die gemeinsame Sonderwirtschaftszone Kaesong wieder in Betrieb nehmen oder die vergleichsweise kleinen Lücken im gemeinsamen Schienennetz schließen - rund fünf Jahre soll das dauern. Für die Prüfung des Streckennetzes lockerte der UN-Sicherheitsrat ausnahmsweise seine strikten Sanktionen, grundsätzlich aber bleiben sie in Kraft.
Ein grenzüberschreitender Zugverkehr wäre für Korea nicht nur von großer symbolischer Bedeutung: Nach dem Wegfall von Sanktionen könnten so Güter nicht nur in den Norden transportiert werden. Die Exportnation Südkorea könnte auch über die Gyeonggui-Linie entlang der Westküste ihre Produkte nach China und über die Donghae-Linie entlang der gesamten Ostküste nach Russland transportieren. Bislang ist nur von Gütern die Rede. Bis irgendwann auch Menschen ungehindert zwischen den beiden Landesteilen hin- und herreisen, wird sicherlich noch viel Zeit vergehen.
Vielen läuft die Zeit davon
Diese Zeit aber haben die 93.000 getrennt lebenden Familienmitglieder nicht mehr, rund 12.000 von ihnen sind älter als 90 Jahre. Schnellstmöglich muss es im kommenden Jahr weitere Familientreffen geben, damit Eltern, Kinder oder Geschwister zumindest für wenige Stunden ihre Angehörigen jenseits der Grenze treffen können - sonst ist es für immer zu spät.
Nordkorea muss tatsächlich und nachprüfbar mit seiner "Denuklearisierung" beginnen. Für den nötigen Druck werden die USA sorgen. Für die ebenfalls nötige Absicherung Nordkoreas wird die aufstrebende Weltmacht China verantwortlich sein.
Enge Einbindung Chinas
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un war sehr gut beraten, dass er das zerrüttete Verhältnis zur Schutzmacht grundlegend verbessert hat. Regelmäßig schickt er hochrangige Delegationen oder reiste selber gleich dreimal nach Peking. Alle Entscheidungen stimmt Kim eng mit China ab. Im Gegenzug wird Staatschef Xi wohl im kommenden Jahr Nordkorea besuchen. Das wäre für Kim nicht nur ein diplomatisches Meisterstück, es wäre auch ein klarer Fingerzeig Richtung USA, wer in Asien mittlerweile die Führungsmacht ist.
Koreanisches Selbstbestimmungsrecht
Die alte Supermacht USA und die neue Ordnungsmacht China werden also auch im kommenden Jahr entscheidenden Einfluss darauf nehmen, was in Korea möglich ist. Die letzte Entscheidung aber sollten und werden die Koreaner treffen. Nach Jahrzehnten der Fremdbestimmung müssen sie entscheiden, ob und wie schnell sie wieder zueinander finden.
Als Grundlage dient das Vertrauensverhältnis, das der südkoreanische Präsident und der nordkoreanische Führer inzwischen aufgebaut haben. Mit Mut und Geschick haben Moon und Kim Bewegung in einen komplett festgefahrenen Konflikt gebracht und entscheidende Schritte im Annäherungsprozess vorbereitet.
"Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern", lehrte einst Konfuzius. Moons Politik der kleinen Schritte - angelehnt an Willy Brandts "Wandel durch Annäherung" - trägt Früchte, allen Widrigkeiten zum Trotz. Dies wird sich im kommenden Jahr auszahlen.
Aktive Unterstützung aus Europa
Europa und allen voran Deutschland sollten dabei nicht nur eine Zuschauerrolle einnehmen, sondern die Entwicklungen aktiv unterstützen. Das wünschen sich auch die Koreaner. Im kommenden Jahr feiert Deutschland den 30. Jahrestags des Mauerfalls, es weiß inzwischen sehr gut, wie mühsam aber auch wertvoll das Zusammenwachsen eines geteilten Landes ist. Selbst wenn die Ausgangslage nur begrenzt vergleichbar ist, hat Deutschland wertvolle Erfahrungen gesammelt, wie eine friedvolle Annäherung gelingen kann. Und welche Fehler die Koreaner vermeiden können.