Kommt das Schweineherz im Menschen?
6. Dezember 2018Deutsche Welle: Herr Reichart, Ihnen ist es erstmals gelungen, einem Pavian ein Schweineherz zu implantieren. Das weckt die Hoffnung, dass dies auch für Menschen, die Primaten genetisch nahe stehen, in Frage kommt. Warum eignen sich gerade Schweine als Spender-Tiere für Ihren Versuch?
Bruno Reichart: Ethik spielt hier eine große Rolle. Wir essen Schweine seit langer Zeit. Es ist also gesellschaftlich akzeptiert, sie zu töten. Dazu kommt, dass Schweine sehr viele Nachkommen in sehr kurzer Zeit bekommen - alle vier Monate. Und sie sind nach sechs Monaten ausgewachsen und geschlechtsreif.
Zudem ist das Schweineherz dem menschlichen sehr ähnlich im Aufbau. Die Klappen aus dem Herz des Schweins werden ja schon seit vierzig Jahren als Ersatz beim Menschen verwendet.
Mehr dazu: Organspende: Was man wissen muss
Und warum Paviane als Empfänger?
Das gehört zu dem, was die Behörden fordern: dass man das Organ nicht bei einem Schwein einpflanzt oder bei einem Hund, sondern bei einem Primaten, der uns sehr nahe steht, sodass man Schlüsse ziehen kann, ob der Eingriff auch beim Menschen gelingen kann.
Muss ein Schwein bestimmte Voraussetzungen erfüllen, dass es als Spender genutzt werden kann?
Man muss das Schweineherz an sich anpassen, um Abstoßungsreaktionen im Empfängerkörper zu verhindern. Deshalb werden die Schweineherzen vor der Entnahme genetisch so modifiziert, dass es zu keiner Abstoßungsreaktion im Empfängerkörper kommt.
Noch vor wenigen Monaten wurde geschrieben, dass es viele Hindernisse auf diesem Weg gibt. Zum einen, weil die Pumpleistung des Schweineherzens nicht so groß ist wie die des menschlichen und zum anderen, weil die sogenannten porcinen endogenen Retroviren (PERV) im Genom der Schweine dem Menschen eventuell gefährlich werden könnten. Was wurde aus diesen Bedenken?
Ich muss sagen, dass die Menschen, die das geschrieben haben, leider wenig Ahnung davon hatten und sich besser hätten einlesen sollen.
Ein Schweineherz pumpt hervorragend in einem Paviankörper oder auch im Menschen. Eine Infektion mit den Viren aus dem Schweinegewebe ist bislang nicht bekannt.
Es gibt drei Sorten der porcinen endogenen Retroviren: A, B und C. C ist sehr aggressiv, deshalb müssen wir Tiere nehmen, die C negativ sind oder die durch Züchtung oder genetische Veränderung keine solcher C-Viren aufweisen.
Mehr zum Thema: Schweineherzen für Menschen
Wie muss man sich die genetische Veränderung vorstellen?
Das passiert bereits in der Eizelle. Man muss dazu ein Gen entfernen, was ja heutzutage mit der CRISPR/Cas9-Schere relativ leicht geht. Man kann damit die C-PERV-Kopien im Schweine-Genom zerstören und unschädlich machen.
Und welchen Vorteil hätte das Schweineherz gegenüber den aktuellen Transplantationsmöglichkeiten?
Das hätte den Vorteil, dass man den enormen Spendermangel beheben würde. Und das ist auch unser Ziel: dass ein Schweineherz keine Überbrückungsmaßnahme ist, sondern eine endgültige Transplantation.
Ist das jetzt der Durchbruch?
Da wird es noch einige Durchbrüche geben müssen, fürchte ich. Jetzt brauchen wir erst mal Geld, denn diese Versuche kosten sehr viel. Wir müssen jetzt einen Investor finden, und die gibt es kaum in Europa. Das ist für mich aktuell eine Vollzeitbeschäftigung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert die Versuche ja aktuell sehr großzügig, aber um eine Pilotstudie durchzuführen brauchen wir weitere finanzielle Mittel und ein Netzwerk, zu dem auch Krankenhäuser gehören.
Mehr zu Organtransplantationen: Herpes-Mittel mit Zukunftspreis 2018 ausgezeichnet
Wie würde das denn aussehen, wenn Schweineherzen eine echte Alternative würden? Stehen dann bald überall Schweineproduktionsfarmen herum?
Im Moment würden wenige Schweine und ihre Nachkommen ausreichen für die Pilotstudie. Und später würde man dann - das ist noch Zukunftsmusik - sicher tausend Schweine brauchen. Die Schweine gibt es ja schon, aber für die Aufzucht bräuchte man dann Hygienestandards, die wir noch nirgendwo haben.
Wie können Sie sicher sein, dass ihr Vorhaben auch funktioniert?
Man muss immer mal ins kalte Wasser springen. Aber dass das nicht funktioniert, ist sehr unwahrscheinlich.
Bruno Reichart ist emeritierter Professor am Universitätsklinikum München und einer der profiliertesten Herztransplanteure Deutschlands. Ihm gelang 1983 die erste Herz-Lungentransplantation in Deutschland. Heute befasst er sich mit Xenotransplantation, also der Übertragung von Zellen bis hin zu ganzen Organen zwischen verschiedenen Spezies.
Das Interview führte Anne Höhn.