Kommunalwahl wird zur Schlappe für Selenskyj
26. Oktober 2020Bei den Kommunalwahlen in der Ukraine hat die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj enttäuschende Ergebnisse eingefahren. In den großen Städten und Regionalzentren konnten sich die Bürgermeisterkandidaten der Präsidentenpartei Diener des Volkes nicht gegen ihre Konkurrenten durchsetzen, wie Hochrechnungen ergaben. Selenskyjs Partei wurde lediglich in zwei Stadträten stärkste Kraft.
Die Wahl galt als Stimmungstest für den Staatschef und seine Partei, die bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der 450 Sitze gewonnen hatte. Politikexperte Mikola Dawidjuk sprach von einem "herben Schlag" für den Präsidenten, der eine Kabinettsumbildung oder sogar eine vorgezogene Parlamentswahl nach sich ziehen könne. Selenskyj steht seit Mai 2019 an der Spitze der ukrainischen Regierung.
Landesweit waren 28,6 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, mehr als 1400 Bürgermeister und Ortsvorsteher zu bestimmen. Zudem waren mehr als 40.000 Abgeordnete von regionalen und kommunalen Parlamenten neu zu wählen. Nicht gewählt wurde in den seit 2014 von prorussischen Separatisten beherrschten Teilen der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk. Trotz Waffenruhe durften auch im Regierungsgebiet etwa eine halbe Million Ukrainer entlang der Frontlinie nicht über ihre örtlichen Vertreter abstimmen.
Klitschko muss noch einmal in den Ring
Bei der Wahl zum Bürgermeister in der Hauptstadt Kiew holte Amtsinhaber Vitali Klitschko Hochrechnungen zufolge gut 45 Prozent der Stimmen. Damit hätte er die notwendige absolute Mehrheit verfehlt und müsste in die Stichwahl. Es sei "noch zu früh, um über endgültige Ergebnisse zu reden", sagte der Ex-Boxweltmeister, der sich wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne befindet.
Unterdessen beanspruchte die Klitschkos Partei UDAR (Schlag) den Wahlsieg für den 49-Jährigen. "Den Angaben aus den Wahllokalen nach ist das Ergebnis von Vitali Klitschko 50,9 Prozent", sagte die Chefin des UDAR-Wahlkampfstabs, Oxana Prodan, einer Mitteilung zufolge. Offiziell gab es auch mehr als 16 Stunden nach Schließung der Wahllokale noch keine Ergebnisse.
Ein mögliche Stichwahl soll Mitte November stattfinden. Gegen Klitschko antreten könnte Alexander Popow von der prorussischen Partei Oppositionsplattform, der auf rund neun Prozent der Stimmen kam. Chancen haben aber auch die Kandidatin von Diener des Volkes, Irina Wereschtschuk, und der Fernsehmoderator Sergej Pritula.
jj/ww (dpa, afp)