Kongos Gold-Mafia
1. September 2017Mühsam klopfen sich die jungen Männer mit Hammer und Meißel immer tiefer in das Gestein. In den rund 50 Meter tiefen Tunneln herrscht absolute Dunkelheit - nur ein kleines Kopflicht erhellt den Gang. Bis zu acht Stunden am Tag verbringen Goldminenarbeiter in der Demokratischen Republik Kongo in den engen Schächten. Rund 200 Kilogramm Erz müssen von Hand aus den Minen geschafft werden, um ein einziges Gramm Gold zu gewinnen. Immer wieder brechen Schächte zusammen und begraben die jungen Arbeiter unter sich. Für ein paar Euro am Tag nehmen sie die Gefahr auf sich. Reichtum erlangen durch Kongos Gold vor allem Politiker und hochrangige Militärs. Das geht aus einem aktuellen Bericht der UN-Expertengruppe im Kongo hervor.
Vorwürfe gegen hochrangigen General
Für den Bericht waren zwei UN-Experten im März in der zentralen Provinz Kasai unterwegs. Der Amerikaner Michael Sharp und die Schwedin Zaida Catlán wollten Menschenrechtsverletzungen seitens des kongolesischen Militärs und der Rebellen in der Region untersuchen. Doch sie wurden verschleppt und hingerichtet. Wer dahinter steckt, ist bis heute nicht geklärt. "Angesichts der verfügbaren Informationen können die Kamwina-Nsapu-Fraktion, andere bewaffnete Gruppen, aber auch die Mitglieder der staatlichen Sicherheitsdienste nicht ausgeschlossen werden", heißt es im Bericht, den die Kollegen der ermordeten Forscher fertiggestellt und veröffentlicht haben.
Die UN-Experten erheben in ihrem Bericht schwere Vorwürfe gegen die kongolesische Armee. So soll Generalmajor Gabriel Amisi Kumba, auch bekannt als "Tango Four", mehrere Goldminen besitzen, diese von Soldaten der staatlichen Armee überwachen lassen und mit Hilfe einer lokalen Firma Gold unversteuert außer Landes bringen. Dabei ist es Armeeangehörigen gemäß dem kongolesischen Bergbaugesetz verboten, im Bergbau tätig zu sein. Schon früher haben internationale Beobachter General Tango Four Menschenrechtsverletzungen, Massaker an Zivilisten und illegalen Waffenhandel vorgeworfen. Im Jahr 2010 berichtete die BBC, der General bereichere sich an den Bodenschätzen des Landes. Ende 2016 sprachen die Europäische Union und die Vereinigten Staaten Einreiseverbote gegen ihn aus und froren seine Auslandskonten ein.
Für Claude Kabemba, Direktor der Organisation "Southern Africa Resource Watch", die den Abbau natürlicher Ressourcen im südlichen Afrika überwacht, ist der UN-Bericht keine Überraschung. "Es ist kein Geheimnis", sagt Kabemba im DW-Interview. "Im Kongo ist jeder im Goldgeschäft: Generäle, Minister, sogar einfache Soldaten." Es sei der einzige Sektor im Land, der gute Gewinne abwerfe. "Natürlich möchte da jeder dabei sein." Schon lange haben Politiker, Militärs und internationale Bergbaukonzerne ein Netzwerk gesponnen, in dem sogar Kirchen involviert sind. Sie alle profitieren vom Chaos des jahrelangen Bürgerkrieges, der eine grassierende Korruption und Armut hinterlassen hat. Minenarbeiter und staatliche Kontrolleure werden gar nicht oder nur schlecht bezahlt und arbeiten Hand in Hand.
98 Prozent aller Goldexporte illegal
Auch Kongoexperte Ben Radley, glaubt, dass der neuste UN-Bericht exemplarisch für den Goldabbau und -handel im Kongo steht. "Diese Fälle sind schon seit Jahren bekannt, selbst die kongolesische Armee hat interne Untersuchungen eingeleitet", sagt Radley, der für seine Dissertation immer wieder in die östlichen Provinzen Kongos reist, im DW-Gespräch. "Gold ist viel schwerer zu regulieren und zu verfolgen als andere Mineralien." Zinn oder Kobalt müsse man tonnenweise schmuggeln, um einen großen Gewinn zu erzielen. "Aber man kann sich einfach ein Kilo Gold im Wert von mehreren Tausend Euro in die Taschen stecken und es über die Grenze schmuggeln", so Radley. Hauptabnehmer sind vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und Libanon. "Dort interessiert es niemanden, wo das Gold herkommt", sagt Claude Kabemba.
Nach Schätzung des Expertenteams der UN waren 98 Prozent der kongolesischen Goldexporte im Jahr 2013 illegal. Gold im Wert von 345 Millionen Euro soll unversteuert das Land verlassen haben. Dem kongolesischen Staat wären demnach rund 6,7 Millionen Euro an Einnahmen entgangen, von denen Straßen, Schulen oder Krankenhäuser gebaut worden sein könnten.
Der Staat ist gefordert
Die internationale Gemeinschaft versucht seit Jahren erfolglos, eine Zertifizierung und Rückverfolgung von sogenannten Konfliktmineralien durchzusetzen. "Der Druck von Außen ist zwar da, aber die Verantwortung liegt beim kongolesischen Staat", so Claude Kabemba. Ein schwacher Staat werde nichts gegen den illegalen Goldhandel ausrichten können. "Wir brauchen eine neue Generation von Politikern, die sich für die Bevölkerung einsetzt, anstatt sie auszurauben." Seine Organisation habe empfohlen, dass Provinzregierungen den Minenarbeitern das Gold direkt abkaufen - zu einem fairen Preis. Außerdem müsse der Kongo seine Exportsteuern für Gold an die der Nachbarländer anpassen. Denn der Schmuggel lohnt sich, weil die Steuern anderswo niedriger sind. "Wenn die internationale Gemeinschaft wirklich helfen will, dann muss sie sicherstellen, dass der Staat wiederhergestellt wird und über genügend gut ausgebildete Polizisten und Grenzsoldaten verfügt", so Kabemba.