Kongos Neujahrsvorsatz: Raus aus der Krise
2. Januar 2017Das neue Jahr beginnt in der Demokratischen Republik Kongo mit einem Lichtblick: Nach wochenlangen Protesten gegen Präsident Joseph Kabila und zähen Verhandlungen haben sich die Regierung und ein Großteil der Opposition geeinigt. Nach einem 13-stündigen Verhandlungsmarathon unterzeichneten sie am Silvesterabend um 23 Uhr ein Abkommen über einen politischen Übergangsprozess. Kabila bleibt demnach bis zu den Präsidentschaftswahlen Ende 2017 im Amt. Für die Übergangszeit soll ein Nationaler Übergangsrat unter der Leitung von Oppositionsführer Etienne Tshisekedi eingesetzt und ein oppositioneller Ministerpräsident bestimmt werden. Kabila und Tshisekedi selbst waren jedoch bei den Verhandlungen nicht persönlich anwesend - auch ihre Unterschriften finden sich nicht unter dem Vertrag.
Kabila will es wissen
Joseph Kabila regiert das zentralafrikanische Land seit 2001, als er die Nachfolge seines ermordeten Vaters antrat. Die Verfassung verbietet ihm eine dritte Amtszeit. Eigentlich hätte er die Führung bereits im Dezember an einen Nachfolger übergeben müssen. Doch Wahlen hat es bisher nicht gegeben - vorgeblich wegen "logistischen Problemen". Die USA und die EU verhängten Sanktionen, Anhänger der Opposition demonstrierten. Doch all dies hinderte den 45-Jährigen nicht daran, kurz vor Ablauf seiner zweiten Amtszeit am 19.12.2016 eine neue Regierung zu ernennen, diese gar zu vergrößern.
Landesweit folgten die Menschen im Dezember dem Aufruf des Oppositionsführers Tshisekedi, Kabila nicht länger als Präsidenten anzuerkennen und sich diesem "Staatsstreich" friedlich zu widersetzen. Die Regierung antwortete mit Gewalt: Bei Protesten in mehreren Städten des Landes wurden laut Angaben der Vereinten Nationen mindestens 44 Menschen getötet und rund 460 Oppositionelle in Polizeigewahrsam genommen.
"Abkommen mit Symbolcharakter"
"Das waren wirklich zähe Verhandlungen in einem generell politisch aufgeheizten Klima", sagt Gregor Jaecke, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kinshasa. Trotzdem sei es ein Abkommen mit Symbolcharakter. "Mit der Unterzeichnung in letzter Minute kann man mit dem ersten Tag des Jahres positiv in die Zukunft blicken oder zumindest die Weichen für eine friedliche Zukunft des Kongos stellen."
In dem neuen Abkommen sichert Kabila zu, nicht erneut zu kandidieren. Im Gegenzug darf er bis zu den Neuwahlen im Amt bleiben - ursprünglich hatte die Opposition Kabilas sofortigen Rückzug gefordert. Der größte Sieg für die Opposition ist die Übereinkunft, dass in der Übergangsphase keine Verfassungsänderung stattfinden darf - damit hofft die Opposition, eine dritte Amtszeit Kabilas zu endgültig auszuschließen. "Damit wurde ein Meilenstein gelegt", sagt der kongolesische Anwalt und Aktivist Pascal Kambale im DW-Gespräch. Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung sei eine juristische Grauzone gewesen. "Jetzt ist der Weg für einen friedlichen Übergang geebnet."
Die kongolesische Bischofskonferenz, die zwischen Regierung und Opposition vermittelt hatte, zeigt sich zufrieden: Die Vereinbarung sei ein "politischer Kompromiss, der alle Seiten mit einschließt", erklärte Erzbischof Marcel Utembi in einer Pressekonferenz. Er betont jedoch auch, dass die Unterzeichnung des Abkommens nicht ausreiche: "Wir bitten alle Parteien, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, patriotisch zu handeln und dabei die Interessen der Bürger vor ihre eigenen zu stellen."
Freie Wahlen noch 2017
Präsident Kabila selbst sagte in einer TV-Ansprache, der Wahlprozess müsse nun "unermüdlich vorangetrieben" werden. Während sich die Regierungsseite optimistisch zeigt, sehen genau hier viele Experten die Herausforderung. Seit der Unabhängigkeit von Belgien 1960 hat es in der Demokratischen Republik Kongo keinen friedlichen Machtwechsel gegeben. Außerdem wird Kabilas Regierung vorgeworfen, die Wahlvorbereitungen bewusst verschleppt zu haben. "An den technischen, logistischen und organisatorischen Schwierigkeiten hat sich ja auch jetzt nichts geändert", sagt Claudia Simons im DW-Interview. Die Afrika-Referentin der Heinrich-Böll-Stiftung beobachtet die politische Situation in dem zentralafrikanischen Land schon seit Jahren.
"Wenn die Übergangsregierung nicht alle Energien in die Vorbereitungen steckt und auch die internationale Gemeinschaft keine klaren Zusagen macht, halte ich Wahlen Ende 2017 für unrealistisch." Auch Gregor Jaecke von der Konrad-Adenauer-Stiftung sieht die Wahlen als größte Herausforderung für die Übergangsregierung. Er hält die gesetzte Frist aber für machbar - wenn die Vorbereitungen zeitnah beginnen: "An alles andere möchte ich nicht denken. Wenn die Vereinbarung nicht eingehalten wird oder es zu Verzögerungen von Seiten der Regierung kommt, dann hätte das fatale Folgen."
Dass das Abkommen zu der erhofften politischen Stabilität führen wird, ist also alles andere als sicher. Entscheidend wird vor allem das Verhalten der jungen Kongolesen sein. Zukunftsängste und Perspektivlosigkeit sind groß. Zwei Drittel der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre, die Arbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Ein politisches Pulverfass, mit dem der Frieden in der Demokratischen Republik Kongo steht oder fällt.
Mitarbeit: Saleh Mwanamilongo (Kinshasa) und Cristina Krippahl