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Kampf um UN-Spitzenjob

Oliver Samson / je2. September 2006

Am 31.12. endet Kofi Annans Amtszeit an der Spitze der UN. Anfang Oktober soll der Nachfolger präsentiert werden. Der Wahlkampf ist in vollem Gang - vor und vor allem hinter den Kulissen.

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Wer zieht hier ein? Das Büro des UN-GeneralsekretärsBild: AP
UN Sicherheitsrat zu Sudan und Iran
Schachern, tricksen, verhandeln: Im Sicherheitsrat wird über den neuen Generalsekretär entschiedenBild: AP

Der säkulare Papst - schon häufig ist der Posten des UN-Generalsekretärs mit dem des Kirchenoberhauptes verglichen worden. Das Wahlprocedere ist auch ähnlich kompliziert wie ein Konklave - und der Wahlkampf mindestens ebenso von Machtpolitik, Regionalproporz, Geheimdiplomatie und Ränkespielen bestimmt.

Laut UN-Charta stimmt die Vollversammlung über den neuen Generalsekretär ab. Der Sicherheitsrat hat aber das Vorschlagsrecht und so wird faktisch hinter verschlossenen Türen so lange gekungelt, bis sich die fünf ständigen Mitglieder China, Russland, Frankreich, Großbritannien und die USA mit Veto-Recht auf einen Kandidaten geeinigt haben. Der Vollversammlung der 191 UN-Mitgliedsländer bleibt dann das Abnicken.

Das ungeschriebene Gesetz

Nach einem ungeschriebenen Gesetz rotiert der UN-Vorsitz zwischen den Kontinenten. Nach Afrika wäre nun Asien dran: U Thant aus Birma war von 1961 bis 1971 der bisher einzige Asiate auf dem Posten. Die asiatischen Länder und allen voran Veto-Macht China untermauern ihren Anspruch mit der Tatsache, dass kein Erdteil bevölkerungsreicher und wirtschaftlich dynamischer ist.

Dr. Surakiart Sathirathai Kandidat für das Amt des UN-Generalsekretärs
Aus dem Rennen: Surakiart SathirathaiBild: AP

Vier Haupt-Kandidaten sind bisher in den Ring geschickt worden, wobei einer von ihnen schon wieder quasi aus dem Rennen ist: Surakiart Sathirathai, 48, wirbt bereits seit der Rekordzeit von zwei Jahren für sich, doch seine Wahl ist unwahrscheinlich: er war stellvertretender Premierminister der thailändischen Regierung, die vom Militär gestürzt worden ist.

Jayantha Dhanapala Kandidat für das Amt des UN-Generalsekretärs
Jayantha DhanapalaBild: AP

Sri Lankas ehemaliger Botschafter in den USA, Jayantha Dhanapala, 67, war schon als Nachfolger von Annans-Vorgänger Boutros Gali im Gespräch. Favorisiert sind aber momentan der südkoreanische Außenminister Ban Ki-moon, 64, und der Inder Shashi Tharoor (50), PR-Chef der UN, Annans Stellvertreter, brillanter Rhetoriker und auch noch preisgekrönter Schriftsteller.

Shashi Tharoor ist Kandidat für das Amt des UN-Generalsekretärs
Annans rechte Hand: Shashi TharoorBild: AP

Bei einer im Juli erstmals durchgeführten Probeabstimmung im Sicherheitsrat lag Ban knapp vor Tharoor, der als letzter der Kandidaten nominiert worden war. Ob es nun auch einer dieser beiden werden wird, ist aber völlig unklar. "Die als erste genannt werden, sind es ja dann sowieso meistens nicht", sagt Winrich Kühne, Direktor des Instituts für internationale Friedenseinsätze in Berlin.

"Deutliche Schwächen"

Süd-Koreas Außenminister Ban Ki-moon ist Kandidat für das Amt des UN-Generalsekretärs
Südkoreas Außenminister Ban Ki-moonBild: AP

Für diese Annahme spricht, dass sich die USA bisher nicht wirklich für die Kandidaten erwärmen können. Alle haben aus amerikanischer Sicht "deutliche Schwächen", wie es in einer Studie des Washingtoner Think Tanks Cato Institute heißt. "Die Amerikaner werden sich ihren Kandidaten zwei mal überlegen", sagt UN-Experte Peter Schmidt von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Für die USA muss der Neue vor allem eines sein: anders als der Alte. Annan, bei seiner Wahl ironischer Weise Kandidat der Amerikaner, hat sich mit seiner Interpretation des Amtes die Supermacht längst zum erbitterten Feind gemacht.

Der neue Chef-Diplomat soll nach dem Willen der USA nun weniger General und mehr Sekretär sein - und den USA deutlich gewogener. Deshalb will man in Washington auch wenig davon hören, dass es nun unbedingt ein Asiate sein müsse. George W. Bush liebäugelte angeblich lange mit dem ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Aleksander Kwasniewski, der in Russland allerdings als Amerika-hörig gilt - das Veto von Präsident Putin gilt für alle Kandidaten aus dem "neuen Europa" als sicher. Auch Moskau setzt auf einen Asiaten als neuen UN-Chef.

Kandidaten auf den letzten Drücker

UN Botschafter Jordanien Prinz Seid al-Hussein
Jordaniens UN-Botschafter Prinz Seid al HusseinBild: AP

Wie Beobachter vorausgesehen haben, sind in den letzten Wochen weitere Alternativ-Kandidaten in die Endphase des Rennens geschickt worden: Der jordanische Prinz Seid al Hussein könnte Chancen haben - ihm wird ein gutes Verhältnis zu den USA nachgesagt. Als vorläufig letzte Bewerbung ging die des afghanischen Ex-Finanzministers Aschraf Ghani ein.

Vaira Vike-Freiberga
Lettlands Präsidentin Vaira Vike-FreibergaBild: dpa

Erstaunen löste die spät eingereichte Kandidatur der lettischen Präsidentin Vaira Vike-Freiberga aus. Die Politikerin nutzte ihren Auftritt in der UN-Vollversammlung als Wahlkampfrede. Sie betonte, dass die Zeit reif sei für eine Frau an der Spitze der Weltorganisation. - Tatsächlich waren alle drei Europäer, zwei Afrikaner, ein Amerikaner, und ein Asiate, die bisher im Büro des UN-Generalsekretärs im 38. Stock am East River residierten - männlich.