Kosovo unabhängig
17. Februar 2008Neun Jahre nach dem Kosovo-Krieg hat sich die südserbische Provinz am Sonntag (17.2.2008) für unabhängig erklärt. "Wir, die demokratisch gewählten Führer unseres Volkes, erklären das Kosovo mit dieser Deklaration zu einem unabhängigen und souveränen Staat", sagte Ministerpräsident Hashim Thaci. Per Akklamation stimmten die Abgeordneten auf einer Sondersitzung in Pristina der Unabhängigkeitserklärung zu. Darin verpflichtet sich der neue Staat dem "Frieden" und der "Stabilität". Elf Parlamentarier, darunter auch Serben, boykottierten die Abstimmung.
"Stolz, unabhängig, frei"
Thaci erklärte in einer Rede, "von heute an ist das Kosovo stolz, unabhängig und frei". Die Menschen des Landes hätten "nie den Glauben an den Traum verloren, dass wir eines Tages zu den freien Nationen dieser Welt gehören", sagte Thaci. Das Kosovo werde nie wieder von Belgrad beherrscht, verkündete er. Es werde ein demokratischer und multiethnischer Staat sein. Sein Land werde alle Auflagen für einen weitgehenden Schutz der serbischen Minderheit erfüllen und weiter mit den Vereinten Nationen und der EU zusammenarbeiten. "Wir wollen die volle Mitgliedschaft in der EU", sagte Regierungschef Hashim Thaci. Er appellierte an die NATO, die 17.000 Soldaten umfassende Schutztruppe KFOR im Kosovo zu belassen. "Auf diesen Tag haben wir so lange gewartet", sagte Thaci den Abgeordneten, die stehend die Erklärung zuhörten und mit rhythmischem Applaus begrüßten. "Wir verneigen uns vor denen, die sich für die Unabhängigkeit geopfert haben", erklärte er mit Blick auf die Toten des Bürgerkriegs zwischen Albanern und Serben in den Jahren 1998 und 1999.
"Das Kosovo hat jetzt die politische Position verändert", erklärte Parlamentspräsident Jakup Krasniqi in Pristina. "Wir sind nunmehr ein unabhängiger, freier und souveräner Staat." In Pristina zogen zehntausende Menschen jubelnd durch die Straßen.
"Niemals anerkennen"
Die serbische Regierung hatte bereits mehrfach erklärt, auf keinen Fall Land mit einer tausendjährigen serbischen Geschichte abtreten zu wollen. Der serbische Präsident Boris Tadic erklärte unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung, sein Land werde "niemals die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen". An Gebieten mit einer mehrheitlich serbischen Bevölkerung im Kosovo soll festgehalten werden. Der erst am Freitag für eine zweite Amtszeit vereidigte, westlich orientierte Tadic hat sich allerdings auch zu einem Gewaltverzicht bekannt.
Russland hat die Unabhängigkeitserklärung ebenfalls verurteilt und eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Dort müsse die Zukunft der Region diskutiert werden, erklärte das Außenministerium in Moskau am Sonntag.
EU sucht Position
Die Europäische Union sucht an diesem Montag nach einer gemeinsamen Haltung zu einem unabhängigen Kosovo. Bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel erwarten Diplomaten "kontroverse Diskussionen".
Vor allem EU-Mitglieder mit Minderheiten-Problemen lehnen die Anerkennung des Kosovos grundsätzlich oder zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt ab. Sie wollen auch keine Erklärung, die als Anerkennung der abtrünnigen serbischen Provinz durch die EU gedeutet werden könne. Dies sind vor allem Zypern, Griechenland, Spanien, die Slowakei und Rumänien. Eine Mehrheit der EU-Staaten ist hingegen zu einer Anerkennung eines unabhängigen Kosovos grundsätzlich bereit, hieß es. Dazu gehörten auch die großen Mitglieder Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien.
Bush bestärkt
US-Präsident George Bush hat am Sonntag auf seiner Afrika-Reise die Unterstützung für eine Unabhängigkeit des Kosovo unter internationaler Aufsicht bekräftigt. Bei seinem Besuch in Tansania erklärte Bush, die USA stünden voll hinter dem Plan des UN-Sondergesandten Ahtisaari. Gleichzeitig betonte der Präsident, dass der Status der bisherigen serbischen Provinz so geregelt werden müsse, dass die Balkanregion stabil bleibe.
Das Kosovo ist nach Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Serbien der sechste Staat, der aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgeht.
Das Kosovo ist ein Landstück von der vierfachen Größe des Saarlands, hat aber nur die doppelte Einwohnerzahl. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde es gewaltsam dem serbischen Königreich eingegliedert. Das Verhältnis zwischen der albanischstämmigen Bevölkerungsmehrheit und Belgrad blieb über die Jahrzehnte gespannt, bevor das Gebiet 1999 einer UN-Verwaltung unterstellt wurde. Mit der Unabhängigkeitserklärung wird das Kosovo zu einem Binnen-Zwergstaat, der zu den ärmsten in Europa zählt.
Von den rund zwei Millionen Einwohnern sind 90 Prozent albanischer Abstammung. Gut 100.000 Einwohner des Kosovo sind Serben, ihre Zahl hat nach dem Kosovo-Krieg 1999 stark abgenommen. In den vergangenen Jahren hat sich das Kosovo faktisch immer weiter von Serbien gelöst. (sams)