Kosovo Wahlen
7. November 2013Es waren die ersten Wahlen im unabhängigen Staat Kosovo unter Beteiligung der serbischen Minderheit im Norden des Landes. Die Menschen in diesem mehrheitlich von Serben bewohnten Gebiet haben die seit 2008 erklärte Unabhängigkeit der ehemals serbischen Provinz nie anerkannt.
Jahrelang konnten sie dabei auf Rückendeckung der serbischen Regierung zählen. Das änderte sich, als die neuen Machthaber in Belgrad vor wenigen Monaten im Rahmen ihrer Politik der Annäherung an die EU auch die Beziehungen mit Pristina zu normalisieren versuchten. Diese Entwicklung weckte Hoffnungen bei der kosovarischen Regierung: Mit Unterstützung Belgrads sollte der Norden nach den Wahlen in den Staat Kosovo integriert werden.
Hintermänner sind noch nicht bekannt
Der Plan ging nicht auf. Nach gewalttätigen Ausschreitungen und der Zerstörung einzelner Wahlurnen in der geteilten Stadt Mitrovica wird nun die Gültigkeit der Abstimmung in den serbischen Siedlungsgebieten infrage gestellt. Wer die Täter waren, ist allerdings noch unklar. Serbischen Medienberichten zufolge sollen Mitglieder und Sympathisanten der ultranationalistischen serbischen Obraz-Vereinigung an der Störung des Wahlablaufs beteiligt gewesen sein.
Es kursiert aber auch die Vermutung, dass das organisierte Verbrechen dahinterstecken könne: "Es ist gut möglich, dass Handlanger jener Personen beteiligt waren, die mit ihren Schmuggelgeschäften von der mangelhaften Rechtsstaatlichkeit im Norden Kosovos profitieren", sagt der Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung und Balkankenner Andreas Ernst.
Die Absicht war aber offenbar, den Versöhnungsprozess zwischen Belgrad und Pristina zu torpedieren, sagt Dusan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Es ist aber schwer, genau zu sagen, wer hinter diesen Zwischenfällen stehen könnte", meint der Balkan-Experte, "denn im Grunde genommen könnten die Gegner der Kommunalwahlen in Mitrovica zufrieden sein: Die Wahlbeteiligung war gering." Daher könne es nicht in deren Interesse gelegen haben, dass es zu gewalttätigen Zwischenfällen gekommen sei, glaubt Reljic.
Annäherung zwischen Belgrad und Pristina
Es war das erste Mal, dass die Belgrader Regierung die Serben im Norden des Kosovo aufforderte, an Wahlen teilzunehmen. Dieser Paradigmenwechsel gilt als Folge eines Normalisierungsabkommens, das Belgrad und Pristina im April unter der Vermittlung der EU beschlossen hatten. Ziel: die Integration des Nordens in die staatlichen Strukturen des Kosovo. Im Gegenzug sollten die serbischen Gemeinden im Land eine weitreichende Autonomie erhalten.
Trotz des Aufrufs aus Belgrad blieben die meisten Serben in den drei Gemeinden im Norden den Wahllokalen fern. Ein Grund dafür sei die übereilte Politikwende Belgrads, glaubt Reljic: "Die Verantwortlichen der Politik in Belgrad, Premier Dacic und der stellvertretende Premier Vucic, standen jahrzehntelang für eine ganz andere Politik. Die plötzliche Kursänderung hat sie in den Augen der meisten Menschen serbischer Abstammung sehr unglaubwürdig gemacht.“
"Man muss die Menschen mitnehmen"
Wenn ein Prozess Erfolg haben soll, dann müsse man die Menschen mitnehmen, es solle nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden werden, sagt Andreas Ernst. "Die politische Kultur Belgrads und Pristinas scheint in dieser Beziehung sehr ähnlich zu sein: Staatsbildung wird ausschließlich als ein Prozess von oben nach unten verstanden." Das könne so aber nicht funktionieren, warnt Ernst: "Staatliche Legitimität wird in einer Demokratie von den Bürgern verliehen, also von unten." Daher sei es ein großer Fehler gewesen, den Kosovo-Serben am Brüsseler-Verhandlungstisch keine Stimme zu geben, sagt der Balkan-Experte.
Anders als die Serben im Norden des Kosovo, haben sich die Serben in Zentral- und Südkosovo mit dem kosovarischen System arrangiert. Hier war es auch nicht das erste Mal, dass sie gemäß kosovarischem Recht an die Urnen gegangen sind. Das habe natürlich vor allem mit der geographischen Lage ihrer Siedlungen zu tun, meint Ernst. Da um sie herum die mehrheitlich von Albanern bewohnten Gebiete liegen, hätten sie schlicht keine Alternative.