Kraftklub machen "Jungsmusik für Mädchen“
17. April 2012Das Medienecho ist groß - sehr groß. Um die Band Kraftklub zu beschreiben, wird oft ganz tief in die Kiste der Superlative gegriffen und heraus kommen Floskeln wie: "deutsche Pophoffnung 2012" oder "Retter der Popmusik". Trotzdem war der Erfolg ihres ersten Albums auch für die fünf Chemnitzer selbst eine Überraschung: "Mit K" stieg von Null auf Eins in die deutschen Charts ein.
Kraftclub sind ein Beispiel dafür, dass eine Band auch ohne ein Produkt in der Hand durchaus erfolgreich sein kann. Mit Hilfe von sozialen Netzwerken wie Facebook und ausdauernden Touren quer durch die Republik haben sie sich schon vor der Veröffentlichung des Albums eine solide Fangemeinde aufgebaut.
Ochsentour
Gegründet haben sich Kraftklub Anfang 2010. Im selben Jahr gewannen sie den "New Music Award", einen Preis, den die Jugendsender der ARD an hoffnungsvolle Nachwuchsmusiker vergeben. Danach ging es auf Tour mit der deutschen HipHop Band Fettes Brot, den Berliner Punkrock-Koryphäen Beatsteaks und dem Hip Hopper Casper. Müdigkeitserscheinungen kennen Kraftclub nicht, gleich im Anschluss folgte noch eine ausverkaufte Clubtour. "Wir machen doch genau deswegen Musik: um auf Tour gehen zu können", bekräftigt Sänger Felix Brummer. Kraftklub haben sich also in den letzten beiden Jahren ordentlich Gehör verschafft und ihre Arbeit jetzt mit dem Nummer-Eins-Album "Mit K" gekrönt.
Bei genauerer Betrachtung fallen allerdings Ähnlichkeiten zu anderen Bands auf. Den Gitarrensound kennt man schon von den englischen Indie-Rockern "Arctic Monkeys", und der Einheitslook aus Hosenträgern, weißen Poloshirts und College-Jacken erinnert stark an die schwedische Alternative Rockband "Hives". Allerdings wird auf hohem Niveau kopiert. Das wissen Kraftklub auch selbst, und es ist ihnen relativ egal, wie sie direkt im Eröffnungssong des Albums "Eure Mädchen" klar machen: "Wir sind so, wie wir sind, klingen, wie wir klingen, auch wenn die Indie-Polizeisirene blinkt."
"Ich will nicht nach Berlin"
Die Texte von Sänger Felix Brummer strotzen vor Zweideutigkeiten, Sarkasmus und Selbstironie und beweisen einen guten Blick auf seine Generation. Im Song "Ich will nicht nach Berlin" beschreibt er zum Beispiel das Berliner Szene-Getue, die Café Latte mit Sojamilch schlürfende Meute, die "ein neues Projekt am Laufen hat" und sich "businessmäßig noch nicht festgelegt" hat. Damit spricht er dem Rest der Republik aus der Seele: "Ich will nicht nach Berlin" - wahrscheinlich sogar den Berlinern selbst, den "Sojamilchschlürfern", die eigentlich gar keine Sojamilch mögen.
Neben humorvollen Tönen geht Brummer aber auch ernste Themen an. Er singt von Einsamkeit und scheut auch nicht vor schwermütigen Klängen zurück. Das liege vor allem an ihrer Heimatstadt Chemnitz oder wie Kraftclub sagen: Karl-Marx-Stadt, so der Name der Stadt zu DDR-Zeiten, meint Brummer: "Die Leute da sind alle sehr gut drauf, aber auch sehr melancholisch."
Ihrer Heimatstadt haben Kraftklub mit dem Stück "Karl-Marx-Stadt" ein persönliches Denkmal gesetzt - das aber auf keinen Fall mit sehnsüchtiger "Ostalgie" verwechselt werden soll, in der alten Zeiten nachgetrauert wird: "Das ist das Schlimmste überhaupt", betont Felix Brummer. "Die Leute, die so reden, waren schon immer die, mit denen man sich ungern unterhalten hat. Die behaupten ja auch gerne, dass es nach 79 keine Rockmusik mehr gab." Kraftclubs Song hingegen betont den aktuellen Bezug zur Stadt und will auf keinen Fall irgendwelche Erinnerungen heraufbeschwören.
Den Moment feiern!
Trotz aller ernsten Töne holen Kraftklub ihre Fans gern auf der Tanzfläche ab. Sie sind eine Band, die den Geschmack der Zeit trifft und ihre Musik selber als "Jungsmusik für Mädchen" beschreibt. Während für junge Menschen überall alternative Lebensmodelle entstehen, die ins Ungewisse führen, lassen Kraftklub die Disco lieber im Dorf stehen und gehen feiern. Ihre Inspiration für die Texte und die Musik holen sie sich, so Brummer, aus dem Freundeskreis, "von ihren Kumpels".
Auf den Thron aus Lobeshymnen wollen sich Kraftclub nicht setzen. Und sie sehen sich auch nicht als Sprachrohr einer Generation, wie man ihnen gerne nachsagt. Vermessen sei das, so etwas von sich selbst zu behaupten, finden sie und fügen augenzwinkernd hinzu: "Eigentlich sehen wir uns eher als das Sprachrohr Deutschlands, Europas und vielleicht sogar der Welt."
Da ist sie wieder: die Selbstironie, die einen beim Hören von "Mit K" immer wieder schmunzeln lässt. Es macht Kraftklub sympathisch, dass sie sich selber nicht so ernst nehmen und einfach den Moment feiern. "Diese Zeit wird voll ausgekostet, bis man mal irgendwann vor lauter Schlafmangel zusammenklappt", resümiert Felix Brummer. Und solange zelebrieren sie eine musikalisch gelungene Inventur des Hier und Jetzt, die Spaß macht und zum Tanzen anregt.
Autor: Michael Lehmann
Redaktion: Suzanne Cords