Das Ende der Kohleverstromung
2. Juli 20201. Klimaschutzziele sind nur ohne fossile Energieträger zu erreichen
Der Entwurf der Bundesregierung für das Kohleausstiegsgesetz sieht vor, die fossile, klimaschädliche Kohleverstromung schrittweise zu verringern und bis spätestens 2038 zu beenden. Einzelne alte und dreckige Blöcke werden bis 2022 abgeschaltet.
Für den teuren Rückbau der Tagebaue soll der Energiekonzern RWE 2,6 Milliarden Euro aus staatlichen Mitteln erhalten, 1,75 Milliarden Euro bekommt das Unternehmen Leag - verteilt auf je 15 Jahre.
Kritiker bemängeln, dass das Geld beim Strukturwandel und auf dem Arbeitsmarkt fehlt und der Vertrag mit den Betreibern durch wenig Transparenz seitens der Bundesregierung zustande gekommen sei.
Die Abkehr von der Kohleverstromung ist Teil der Strategie Deutschlands, die eigenen Klimaziele und die Vorgaben der UN umzusetzen. Bis 2050 strebt Deutschland eine weitgehend Treibhausgas neutrale Wirtschaft und Gesellschaft an.
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2. Ausstieg 2038? Es ginge schneller!
Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin wird der aktuell anvisierte Kohleausstieg dazu führen, dass bis 2040 etwa 134 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlenstoffdioxid zusätzlich in die Atmosphäre gelangen. Eine insgesamt frühere Abkehr des fossilen Energierohstoffs könnte die Emissionen dagegen um 1,8 Milliarden Tonnen CO2 reduzieren.
Die energiewirtschaftliche Notwendigkeit zur Zerstörung weiterer Natur und der Umsiedlung der Bewohner mehrerer Dörfer besteht laut DIW und Wuppertal Institut nicht.
Bisher mussten 120.000 Menschen für die Braunkohle ihre Heimat verlassen, und noch immer sind Bewohner von Umsiedlungen betroffen. Andererseits sind viele Menschen in den Kohleregionen Sachsen-Anhalts, Brandenburgs, Sachsens und Nordrhein-Westfalens abhängig von den Energiekonzernen.
Der Bund sieht sich in der Verantwortung, ein für Mitarbeiter und die Kohle-Regionen insgesamt sozial ausgewogenes und gerechtes Bündnis abzuschließen, mit dem Beschäftigung und Wachstum gesichert sind.
Klimaschützer glauben hingegen, durch ehrgeizigere Ziele, wie die Pflicht zur Ausstattung sämtlicher Dächer mit Solarenergiepaneelen, könnten die Gefahren des Klimawandels deutlich schneller gebannt werden.
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3. Kohlereviere sollen zu Zukunftsregionen umgestaltet werden
Mit 40 Milliarden Euro sollen die Regionen in den vier Bundesländern gefördert werden, die den Strukturwandel durch den Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle realisieren müssen.
Beschäftigte der Kohleindustrie sollen bis 2043 von einem sogenannten Anpassungsgeld profitieren können. Wenn sie ihren Job verlieren, können sie damit die Zeit bis zum frühzeitigen Renteneintritt überbrücken. RWE kündigte an, bis 2030 etwa 6000 Stellen abzubauen - sozialverträglich.
Mittel sollen auch zum Ausbau wirtschaftsnaher Infrastruktur, des öffentlichen Nahverkehrs, der Breitband- und Mobilitätsinfrastruktur, des Umweltschutzes und zur Landschaftspflege dienen.
Mit der Ansiedlung von Bundeseinrichtungen bis 2028 sollen bis zu 5.000 Arbeitsplätze erhalten beziehungsweise neu geschaffen werden.
Die Bundesregierung erhofft sich auch die Unterstützung der EU-Kommission im Rahmen des sogenannten Green Deal für die Energiewende.
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4. Zurück zur Steinkohlezeit
Gerade war der Entwurf der Bundesregierung zum Kohleausstieg fertig, da ging am 20. Mai 2020 der Kraftwerksblock "Datteln IV" ans Netz, begleitet von Protest der Umweltschützer.
Das Steinkohlekraftwerk arbeitet zwar effizienter als andere, dennoch gehen Experten von Emissionen zwischen 10 und 13 Millionen Tonnen CO2 aus, verteilt über die gesamte Laufzeit des Kraftwerks.
Zum Ausgleich hat die Bundesregierung daher angegeben, ineffiziente Kohlekraftwerke abschalten zu lassen, denn zur Reduzierung der CO2-Emissionen wird nicht die Leistung eines Kraftwerks berechnet, sondern es zählen die Emissionen aller Kohlekraftwerke Deutschlands.
Letzter Knackpunkt in den Verhandlungen der Großen Koalition war der Streit um milliardenschwere Förderprogramme, etwa für eine Umrüstung von Kraftwerken. Union und SPD einigten sich darauf, dass Steinkohlebetreiber bis 2026 Entschädigungen reklamieren können, wenn sie bis dahin ein Datum für ein Laufzeitende bekannt geben.
Im Gegenzug erhalten sie finanzielle Kompensationen zur Umrüstung ihrer Kraftwerke auf erneuerbare Energieträger wie Wasserstoff oder Biomasse.
Betreiber von Steinkohlekraftwerken, die sich an keine festen Abschaltdaten halten, bekommen aber auch keine fixen Entschädigungen vom Staat.
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5. Sicherstellung der Energieversorgung
Ausstieg aus der Atomkraft nach dem Super-Gau im japanischen Fukushima 2011. Die Besiegelung des Endes der fossilen Energiegewinnung für 2038: Wie können die Klimaziele und die Versorgungssicherheit in Einklang gebracht und die Energiepreise stabil bleiben?
Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, in den Jahren 2026, 2029 und 2032 zu prüfen, ob die Zeitpunkte für Kraftwerksstilllegungen, die ab 2030 vorgesehen sind, jeweils drei Jahre vorgezogen werden können. Auch die Auswirkungen auf die Strompreise werden regelmäßig unter die Lupe genommen.
Mittelfristig soll die Kohle komplett durch Erneuerbare Energien ersetzt werden, was noch gesondert geregelt wird. Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung soll vorangetrieben werden.
Untersuchungen des Fraunhofer Instituts für 2019 haben gezeigt, dass erneuerbare Energien im deutschen Strommix im Jahresdurchschnitt 46 Prozent ausmachten, an vielen Tagen sogar über 65 Prozent betrugen. Im Vergleich zu 2018 sank der Anteil von Strom aus Braunkohle um 22 Prozent und aus Steinkohle um 33 Prozent in Deutschland.
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