Kreuz und Schwert: Russlands neue Symbole
4. November 2016Ein Heiliger, ein Staatsgründer und ein Krieger. So beschrieb Wladimir Putin seinen Namensvetter, den mittelalterlichen Großfürsten von Kiew, bei der Eröffnung seines Denkmals am Freitag im Herzen von Moskau. Wladimir sei ein "Sammler und Verteidiger russischer Erde" gewesen, sagte der russische Präsident, der sich offenbar auch so sieht. An der feierlichen Zeremonie am Tag der Volkseinheit nahm auch der russische orthodoxe Patriarch Kyrill teil. Die Eröffnung des Denkmals in der verschneiten Hauptstadt wurde im Fernsehen live übertragen.
Wladimir, der Großfürst von Kiew, gilt als einer der wichtigsten Herrscher in der Geschichte des mittelalterlichen Staates Kiewer Rus, in dem Russland und die Ukraine die Wurzeln ihrer Völker, ihrer Staatlichkeit und ihres christlichen Glaubens sehen.
Das Schwert ergibt den Unterschied
Ein großes Denkmal für Wladimir wurde vor über 150 Jahren in Kiew errichtet, als die Ukraine noch Teil des Russischen Reiches war. Die beiden Denkmäler sehen ähnlich aus. Wladimir wird als bärtiger Mann in fürstlicher Kleidung dargestellt, der sich mit der rechten Hand auf ein großes Kreuz stützt. Doch es gibt auch einen Unterschied. Während bei Wladimir in Kiew der Kopf unbedeckt ist und er in der linken Hand seine Mütze hält, trägt er in Moskau die Herrschermütze auf dem Haupt und hält in der linken Hand ein großes Schwert.
Putin hat das Denkmal im Mai 2014 in Auftrag gegeben, wenige Monate nach der Krim-Annexion, für die er zu Hause bis heute groß gefeiert wird. Manche Beobachter vermuten, dass es eher Putin als dem Kiewer Fürsten gilt. Ursprünglich war eine gigantische Skulptur geplant, 25 Meter hoch, die am Rande der Sperlingsberge über der russischen Hauptstadt hätte aufragen sollen. Doch es gab Proteste der Bevölkerung. Auch viele Experten sprachen sich dagegen aus. Die Behörden haben dann entschieden, ein kleineres Denkmal, rund 16 Meter hoch, an einem anderen Ort errichten zu lassen. Nun steht der Großfürst Wladimir auf dem Borowizkij-Hügel in Sichtweite des Kreml. Jedes Mal, wenn der russische Präsident in den Kreml fahren wird, wird er von jetzt an am Wladimir-Denkmal vorbeifahren.
Ein Denkmal für Putin gibt es in Russland übrigens bereits. Es wurde 2015 in Sankt Petersburg, der Heimatstadt des russischen Präsidenten, aufgestellt. Idee und Umsetzung: Andrej Poljakow, ein Kosaken-Aktivist. Putin in Gestalt eines römischen Imperators steht auf Poljakows privatem Grundstück.
Umstrittener Herrscher
Fürst Wladimir ist nur das jüngste Beispiel für eine Art Denkmalfieber, das Russland erfasst zu haben scheint. Vor wenigen Wochen wurde in der südrussischen Stadt Orjol ein Denkmal für den ersten russischen Zaren, den Moskauer Großfürsten Iwan IV., eröffnet. Er ist auch als Iwan, der Schreckliche, in die russische Geschichte eingegangen. Auch er wurde mit einem Kreuz und einem Schwert dargestellt – so sieht sich offenbar das moderne Russland.
Ursprünglich hätte das Denkmal neben einem Schauspielhaus für Kinder stehen und bereits Anfang August eingeweiht werden sollen. Der Anlass damals: der 450. Jahrestag der Stadtgründung. Doch es gab Widerstand. Aktivisten protestierten sowohl gegen den ausgewählten Ort als auch gegen die Glorifizierung einer umstrittenen historischen Figur. Iwan IV. regierte das im Moskauer Fürstentum entstandene russische Reich im 16. Jahrhundert mit eiserner Hand: Seine berüchtigten Opritschniki, eine Art Leibgarde, verbreitete Angst und Schrecken. Seine brutale Herrschaft brachte Iwan den Zusatznamen "der Schreckliche".
Für den Gebietsgouverneur Wadim Potomski sind solche Schattenseiten kein Problem. "Iwan, der Schreckliche, hat Russland stark gemacht und seine Grenzen ausgeweitet", sagte er einem staatlichen Sender. Die Stadt ließ eine Umfrage durchführen, wonach sich die meisten Bürger, rund drei Viertel, für das Denkmal aussprachen.
Kalaschnikow als Symbol für ein modernes Russland
Noch symbolischer für das heutige Russland scheint ein Denkmal zu sein, das Anfang 2017 in Moskau eröffnet werden soll. Es ist ein Denkmal für Michail Kalaschnikow, den 2013 verstorbenen sowjetischen Konstrukteur des berühmten Sturm- und Maschinengewehrs. Seine sieben Meter hohe Darstellung soll in der Waffengasse in der Moskauer Stadtmitte stehen. Im Hintergrund plant der Bildhauer Salawat Schtscherbakow eine Weltkugel, die die Verbreitung der Waffe symbolisieren soll. Außerdem soll die Komposition den Heiligen Georg auf einem Ross enthalten. Schtscherbakow nennt das Gewehr eine "Waffe des Guten". Der 61-jährige Künstler, derzeit die Nummer eins bei solchen Projekten in Russland, ist auch der Schöpfer der Denkmäler für den Fürsten Wladimir in Moskau und Iwan, den Schrecklichen, in Orjol.
Für den russischen Publizisten Oleg Kaschin sind diese Denkmäler hochsymbolisch. Die Erdkugel hinter Kalaschnikow sehe eher bedrohlich als feierlich aus, sagte Kaschin der DW. "Im heutigen Russland ist es normal geworden, über einen Krieg nicht wie über eine Tragödie, sondern wie über gute Werbung für russische Waffen zu sprechen", stellt der Publizist fest. Pazifismus sei aus der Mode, daher sei der "zyklopische Kalaschnikow" ein adäquates Symbol für den Zeitgeist im heutigen Russland.
Stalin nicht überall populär
Es ist eine Epoche, in der vor allem umstrittene Herrscher der Vergangenheit wieder verehrt werden - Hauptsache, sie haben Russlands Reich stärker und größer gemacht. Ein Paradebeispiel dafür ist Josef Stalin. In den letzten Jahren wurden in mehreren russischen Städten zahlreiche Stalin-Denkmäler aufgestellt, vor allem von Anhängern der kommunistischen Partei.
Die Bevölkerung reagierte darauf nicht immer positiv. So wurde in der sibirischen Stadt Surgut ein erst im September errichtetes Stalin-Denkmal Anfang Oktober von den Behörden demontiert. Es sei illegal, außerdem seien viele Bürger dagegen, hieß es aus der Stadtverwaltung. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Surgut sei Opfer des Stalin-Terrors geworden, so eine Sprecherin.