Krieg und Popmusik - ein Gegensatz?
13. September 2004Nur wenige Wochen nach seinem Kinostart ist der Film "Fahrenheit 9/11" von dem amerikanischen Regisseur Michael Moore zum erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten avanciert. Er handelt von Georg W. Bush und seiner Regierung im Allgemeinen und den Ursachen des Irak-Krieges im Besonderen. Dabei zeigt Michael Moore unter anderem, wie sich die US-Soldaten für den Kampfeinsatz hochputschen: Unter ihrem Helm tragen sie Kopfhörer, aus denen Rock- und Technorhythmen auf die GIs einhämmern. Auch wenn diese Variante des Musikeinsatzes noch neu ist, die Popmusik hat im Krieg und damit auch im Kriegsfilm eine längere Geschichte.
Soldaten nutzen jede Unterhaltungsmöglichkeit
Erste Szene: "Apocalypse Now". "Und jetzt wieder eine Überraschung für die Feuerwehrmannschaft in Ankia und für ihren beliebten Kommandanten Ted, den Oberschlauen - die Rolling Stones mit Satisfaction." Captain Willard, alias Martin Sheen, muss sich gut festhalten. Die Soldaten auf dem Patrouillenboot, das ihn nach Kambodscha bringen soll, nutzen jede Möglichkeit der Unterhaltung. Und so fahren sie Wasserski zur Musik der Rolling Stones oder tanzen auf dem Heck des Bootes.
Während des Zweiten Weltkrieges dienten die Kriegsfilme vor allem als Mittel, junge Männer für das große Getümmel zu begeistern. Es ging um Freiheit und Demokratie. Dafür lohnte es sich, zu kämpfen und im Zweifelsfall auch zu sterben. Diese Grundkonstellation beherrschte die meisten Kriegsfilme, die in den 1940er, 1950er und 1960er Jahren gedreht wurden. Musik spielte in diesen Werken eine untergeordnete Rolle: ein bisschen Marschmusik hier, ein bisschen Country-Sound da. Ansonsten sind nur Bomben und Gewehrfeuer zu hören.
Mit dem Vietnam-Krieg aber wird in Hollywood ein Genre auf den Kopf gestellt: Aus dem Kriegsfilm wird der Antikriegsfilm. Und fast immer spielt darin auch die Popmusik eine Rolle.
Mit Vietnam-Krieg beginnt eine neue Ära
Zweite Szene: "Full Metal Jacket". Hier werden die jungen Soldaten von Stanley Kubrick in Saigon mit der Musik von Nancy Santra begrüßt. Vietnam als Abenteuerspielplatz und Ferienparadies zur Begrüßung - und als bittere Bestandsaufnahme im Rollstuhl nach der Rückkehr. Wie in "Coming Home" von Hal Ashby: "Ich brauche eine Rechfertigung dafür, dass ich gelähmt bin und dafür, dass ich Menschen umgebracht habe. Und deshalb sage ich: Es war in Ordnung!" Im Hintergrund laufen die Rolling Stones mit "Out of time"…
Mit der Zeit nicht im Einklang war auch Oliver Stone. Der spätere Regisseur verbrachte ein Jahr in Vietnam als freiwilliger Soldat. Filme wie "Apocalypse Now" oder "Die durch die Hölle gehen" ärgerten ihn, da sie ihm viel zu effektvoll aufgebaut waren. Er hatte den Krieg als ewiges Warten erlebt und die Kämpfe als plötzliche, heftige, aber kurze Eruptionen. Basierend auf seinen Erfahrungen drehte Oliver Stone Mitte der 1980er Jahre "Platoon".
"Platoon" ist zugleich ein Antikriegsfilm, in dem nicht der Kriegsgegner auf der anderen Seite die größte Gefahr ist, sondern die eigenen Leute. Halb durchgedreht und ohne zu wissen, wofür man eigentlich kämpft, wird das Misstrauen unter den Soldaten immer größer. Irgendwann beginnt die Truppe, sich gegenseitig zu bekämpfen.
Wenn das Sterben sinnlos wird
Schlimmer noch als die Tatsache, ohne überzeugendes Ziel zu kämpfen, wird es, wenn die Soldaten das Gefühl haben, missbraucht worden zu sein. Denn in den Filmen über den Zweiten Weltkrieg konnten die Männer sterben, und ihr Tod hatte zumindest eine moralische Bedeutung. Es war ein Opfer, das sich gelohnt hatte. In den Vietnamfilmen aber ist das Sterben sinnlos. Und so entschloss sich Francis Ford Coppola, seinen Film „Apocalypse Now" mit "The End" von "The Doors" zu beginnen und damit auch enden zu lassen. Gutes Stichwort - Ende, letzte Szene.