Kriegsgedenken über die Grenzen hinweg
22. Juni 2016Im russischen Parlament in Moskau gedachten die Abgeordneten schweigend der sowjetischen Opfer. Junge Russen in historischen Uniformen hielten Wache am zentralen Denkmal für den Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird.
Viele Russen hatten zur Stunde des Überfalls um 03.00 Uhr morgens (MESZ) eine Kerze angezündet und ins Fenster gestellt. Präsident Wladimir Putin legte am Grabmal des unbekannten Soldaten in Moskau einen Kranz nieder.
Putin sieht Nato-Bedrohung
Vor den Parlamentsabgeordneten in Moskau warf er der Nato "aggressives Verhalten" in der Nähe der Grenze vor. Russland müsse deshalb seine Kampfbereitschaft ausbauen, kündigte er an. Die Nato will im kommenden Jahr 4000 Soldaten in den drei baltischen Staaten und Polen stationieren. Sie reagiert damit auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014. Unter diesen Bedingungen sei Russland verpflichtet, "der Stärkung der Kampfbereitschaft unseres Landes besondere Aufmerksamkeit zu schenken", so Putin.
Sowjetunion brachte die größten Opfer
In Erinnerung an den 22. Juni 1941 schrieb Bundespräsident Joachim Gauck einen Beitrag für Zeitungen in Russland. Darin führt er aus: "Kein Land hat im Zweiten Weltkrieg so große Opfer gebracht wie die Sowjetunion: Fast 27 Millionen Menschen verloren ihr Leben". Zugleich nutzte der Bundespräsident den Jahrestag zur Mahnung. "Frieden ist nicht selbstverständlich", schrieb er.
Schicksale von Gefangenen klären
Zur weiteren Bewältigung des erlittenen Kriegsleids vereinbarten Russlands Außenminister Sergej Lawrow und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein neues gemeinsames Projekt, mit dem die Schicksale von Kriegsgefangenen geklärt werden sollen. Dafür sollen Informationen über Kriegsgefangene digitalisiert und in Datenbanken zusammengeführt werden. Deutschland übernimmt die Finanzierung.
Während des zweiten Weltkriegs kamen nach offiziellen Angaben insgesamt mehr als 8,8 Millionen Soldaten in Gefangenschaft - mehr als 5,7 Millionen Angehörige der Roten Armee und mehr als 3,1 Millionen der deutschen Wehrmacht. In deutscher Gefangenschaft starben mehr als drei Millionen Sowjetsoldaten. Die Zahl der Deutschen, die in sowjetischer Haft starben, wird auf mindestens 1,1 Millionen geschätzt.
Verwüstungen in Ukraine und Weißrussland
Auch in den früheren Sowjetrepubliken Ukraine und Weißrussland, die damals auch von der Wehrmacht überrannt wurden, gedachten Bürger der Millionen Opfer. In Kiew erinnerte Präsident Petro Poroschenko daran, dass die Ukraine Opfer des Nationalsozialismus wie des Stalinismus gewesen sei. "An jenem traurigen Tag vor 75 Jahren kam der Krieg über unser Land, dem keine Familie entgehen konnte, der ungezählte Opfer, Ruinen und Verwüstung hinterließ", sagte er. Nirgendwo in der Sowjetunion sind während des Kriegs mehr Menschen getötet worden und waren die Zerstörungen schlimmer als in den beiden westlichen Republiken Ukraine und Weißrussland.
Zeremonie im Treptower Park
In Berlin gab es auf Initiative der russischen Botschaft sowie anderer Botschaften der Nachfolgestaaten der Sowjetunion eine Kranzniederlegung am Ehrenmal im Treptower Park. Auch Vertreter des deutschen Auswärtigen Amtes, von politischen Parteien und Organisationen nahmen an dem Gedenken zu Ehren gefallener Sowjetsoldaten teil. Die im Mai 1949 fertiggestellte Anlage wurde im Auftrag der sowjetischen Truppen errichtet. Mehr als 7.000 der in der Schlacht um Berlin gefallenen Soldaten sind hier bestattet.
uh/stu (dpa, epd)