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Krisen-Kontinent Europa

Mathias Bölinger, Berlin12. Mai 2016

In Berlin kommen europäische Spitzenpolitiker zusammen, um über Europa zu sprechen. Die Stimmung ist düster. Besonders ein Land bereitet den Politikern Sorgen.

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Zerrissene europäische Flagge (Symbolbild)
EU in der Krise - Wie viele Sterne werden in ein paar Jahren noch übrig sein?Bild: picture-alliance/ZB/Montage DW

Nacheinander defilieren sie alle über die Bühne. Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wirft mit seinen berüchtigten Bonmots um sich. Journalisten versuchen ein weiteres Mal, Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Vision zu entlocken, die das wie gewohnt mit ein paar pragmatischen Sätzen über Aufgaben und Herausforderungen abwehrt.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wiegt den Kopf in ernster Besorgnis angesichts des "Krisengebräus", das gegenwärtig in Europa hochkocht. Und Martin Schulz, der streitbare Präsident des Europäischen Parlaments, ist zwar nicht persönlich anwesend, aber immerhin per Videobotschaft zugeschaltet. Der Westdeutsche Rundfunk hat zur Diskussion über Europa geladen. Es ist so etwas wie ein europapolitisches Familientreffen.

Ein alter Pullover, der sich aufribbelt

Es steht nicht gut um den Familienfrieden - da sind sich die Familienältesten einig. "Wenn wir in einem Jahr noch die Europäische Union haben, die wir heute kennen, dann ist schon viel erreicht", warnt der deutsche Außenminister. Wirtschaftskrise, das "globale Kräftemessen" in den Krisenherden Ukraine und Naher Osten, die "gefühlte Entgrenzung" durch die Globalisierung, weckten bei den Bürgern Europas eine "Angst vor dem Kontrollverlust". Der Rechtspopulismus, der am Selbstverständnis Europas nagt, sei ein "Indikator für diese Ängste".

Jean-Claude Juncker (Foto: AP/Markus Schreiber)
Die EU nicht aufribbeln - Kommissionspräsident Jean-Claude JunckerBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Jean-Claude Juncker, der europäische Ratspräsident, vergleicht das politische Gebilde EU mit einem "alten Pullover", der droht sich aufzuribbeln, wenn man ihm einen Faden zieht. Getragen wird der dramatische Grundton vor allem von der bevorstehenden Volksabstimmung in Großbritannien.

Wenn die Briten im Juni abstimmen, ob sie Teil der EU bleiben wollen, dann, so die Befürchtung, könnte das eben dieser erste Faden sein. "Wenn eine Region für die Globalisierung gewappnet ist, dann doch am ehesten Europa", wirbt Steinmeier. "Ich hoffe, dass die Briten das so sehen". Für den Fall eines Austritts warnt er vor einem erneuten Aufflammen des Nordirland-Konflikts.

Jean-Claude Juncker glaubt, die Briten könnten die Folgen eines Austritts nicht abschätzen. "Die Vorstellung, dass am Tag nach einer Abstimmung mit negativem Ergebnis alles so weiter ginge, ist falsch", betont er. "Wer den Tisch verlässt, darf an diesem Tisch nicht mehr essen." Der britische Botschafter in Deutschland Sebastian Wood, wirbt noch einmal für den Kompromiss, den die britische Regierung mit der EU ausgehandelt hat - insbesondere für das Sonderrecht, nicht an "einer immer enger werdenden Union teilzunehmen. Aus unserer Sicht ist eine flexiblere Union auch eine stärkere Union."

Forum Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto:Tobias Schwarz/AFP/Getty Images)
Vision? Lieber nicht - Kanzlerin Angela Merkel beim EuropaforumBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Mehr Arbeit für junge Europäer

"Europa wird immer ein Gebilde der Vielfalt sein", betont auch Angela Merkel. "Nationale Identitäten müssen nicht verschüttet werden". Akzeptanz für Europa werde nur geschaffen, wenn es gelänge, wirtschaftlich erfolgreicher zu sein. "Wenn wir es nicht schaffen, den jungen Menschen auch zu zeigen: Ihr bekommt durch dieses Europa mehr Arbeit, dann werden wir Schwierigkeiten haben."

Auch sie lässt durchblicken, dass sie den alten Kontinent nicht in seiner besten Form sehe. Auf die Frage, warum sie nicht über ihre Vision, sondern über praktische Fragen spreche, antwortet sie lakonisch: "Mir wär's ja recht, wenn man das nicht als Vision einordnen müsste."