Friedensgutachten 2008
3. Juni 2008Wo das Öl zu finden ist, da finden sich oft auch die blutigen Konflikte in der Welt. Die Wissenschaftler der fünf großen deutschen Friedensforschungsinstitute erwarten deshalb, dass der Nahe Osten auch in Zukunft zu den Haupt-Krisenherden der Welt gehört. Und zwar mit einer gefährlichen Neuerung: In Zukunft könnten Konflikte in der Region nämlich auch mit Atomwaffen ausgetragen werden, befürchtet der Bonner Friedensforscher Andreas Heinemann-Grüder.
Israel, Pakistan und Indien haben bereits nukleare Sprengköpfe in ihren Arsenalen, und dem Iran und auch Saudi Arabien wird Interesse am Besitz von Kernwaffen nachgesagt. Heinemann-Grüder kritisiert, dass es an einem Mechanismus fehle, mit dem diese Länder sich gegenseitig kontrollierten. "Insofern ist es ein selbst im Vergleich zu der Entwicklung seit den 60er Jahren sehr viel ungehemmterer Rüstungswettlauf, der da stattfindet", sagt der Friedensforscher. "Die Vielfalt an zusätzlichen Akteuren macht die Situation sogar gefährlicher als während des Ost-West-Konfliktes."
Mehr Rüstungsausgaben als zu Zeiten des Kalten Kriegs
Dass die Erde kein friedlicherer Ort geworden ist, lässt sich auch an den Zahlen ablesen, die Heinemann-Grüder und seine Kollegen vorlegen. Denn nie zuvor wurde in der Welt so viel Geld für Rüstung ausgegeben wie in diesem Jahr. 1200 Milliarden Dollar stehen in den Wehretats für Soldaten, Panzer und anderes Kriegsgerät bereit. Nach Zeiten der Abrüstung in den 90er Jahren leistet die Welt sich damit einen neuen Rüstungsrekord. Ganz vorne: die USA. Fast die Hälfte aller Rüstungsausgaben weltweit gehen auf das Konto der Regierung in Washington.
Das sei schlecht investiertes Geld angesichts der Gefahr durch kleine terroristische Gruppen, findet Heinemann-Grüder. Zudem stehe die Hochrüstung der USA in keinem erkennbaren Zusammenhang zu den Bedrohungen. "Es gibt gerade zu ein eklatantes Missverhältnis, und zwar, weil die militärischen Mittel in keiner Art und Weise Ziel führend bei der Bekämpfung dieser Bedrohungen sind", sagt er. Sie könnten diese einschränken, aber letztlich nicht völlig verhindern.
"Keine Stabilität durch Militäreinsätze"
Von den europäischen Regierungen erwarten die Forscher ebenfalls mehr Einsatz für den Frieden. Und zwar nicht etwa durch militärische Interventionen in aller Welt, sondern durch vorbildhaftes Abrüsten. "Der Versuch, ständig aus Europa oder den USA alle Weltprobleme überall zu lösen ist ja ein eitles dummes Zeug, das geht sowieso nicht", meint Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg. "Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn unsere Regierungen darauf verzichten würden, diktatorische, menschenrechtsverletzende Regime zu unterstützen."
Militärisches Eingreifen in Krisengebieten bringe auf lange Sicht keine Stabilität, sagt Hippler. Auch für Simbabwe lehnt er eine europäische Intervention ab. In Kenia dagegen sei es gelungen, die bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen mit diplomatischem Druck zu stoppen. Diese politische Lösung gebe Anlass für verhaltenen Optimismus. Denn auch in Kenia seien weiterhin Macheten, Gewehre und andere Kleinwaffen im Umlauf.
Der weltweite Waffenhandel sei die Wurzel des Übels, sagen die Forscher, und jedes Jahr nehme er weiter zu. Auch Deutschland liefert Rüstungsgüter in mehr als 100 Länder. Jochen Hippler fordert deshalb schlicht und einfach: ein Verbot.