Krisenstimmung nach Thomas-Cook-Pleite
24. September 2019"Griechenland-Urlaub, günstig buchen mit Thomas Cook" - diese Anzeige hat in den vergangenen Jahren immer mehr Kunden angelockt. Im Jahr 2018 lag Griechenland auf Platz drei der wichtigsten Ziele von Thomas Cook. Für die Hoteliers vor Ort ein gutes Geschäft: Die Zusammenarbeit mit dem Branchenriesen sorgte für eine hohe Auslastung der Ferienunterkünfte bis in den späten Herbst hinein. Immerhin gilt der Tourismus als Wachstumsmotor für die angeschlagene griechische Wirtschaft und sichert fast eine Million Arbeitsplätze - Tendenz steigend.
In der Nacht zum Montag dann der Schock: Thomas Cook beantragt Insolvenz, Hoteliers bangen um ihre Einnahmen, über 50.000 Urlauber sitzen fest in Hellas. Allein auf Kreta seien über 22.000 Urlauber betroffen, sagt Nikos Chalkiadakis, Chef des Hotelverbandes in der Inselhauptstadt Heraklion, der Deutschen Welle. Den Schaden für seine Kollegen auf der beliebten Ferieninsel schätzt er auf mindestens 80 Millionen Euro. "In der Branche ist es üblich, dass der Reiseveranstalter zwei Monate später zahlt, und deshalb warten wir immer noch auf unser Geld für die Übernachtungen vom Juli", moniert Chalkiadakis. An sich sei die Verzögerung Teil des Geschäfts und von den Hoteliers auch eingeplant. Würden diese Rechnungen jedoch nicht mehr beglichen, dann käme es zu einer "Katastrophe", mahnt der Branchensprecher.
Verlust bis zu einer Milliarde?
Noch sind die Konsequenzen nicht voll abzuschätzen. Branchenvertreter rechnen mit Verlusten von bis zu 500 Millionen Euro. Allerdings: "Wenn man alle entgangenen Einnahmen mitberechnet, könnte der Schaden bis zu einer Milliarde Euro betragen", berichtet das Wirtschaftsportal Capital.gr. Allein auf der kleinen Insel Zakynthos im Westen Griechenlands bleiben Hotelrechnungen in Höhe von 50 Millionen Euro derzeit offen. Auf der Badeinsel Kos in der östlichen Ägäis wird ein Verlust von 20 Millionen Euro gemeldet. "Im Durchschnitt hat jeder Thomas-Cook-Urlauber in Griechenland 50 bis 90 Euro pro Tag ausgegeben" erläutert Vicky Kourlibini, Tourismusexpertin von Capital.gr. Dieser Einnahmeverlust lässt sich nicht ausgleichen. Außerdem sei die Planung für den nächsten Sommer nicht mehr gesichert: "Viele Hoteliers hatten mit Thomas Cook bereits Verträge für 2020 abgeschlossen und stehen nun erst einmal mit leeren Händen da", gibt die Tourismusexpertin zu bedenken. Da versucht man zu retten, was zu retten ist. Hotelverbandschef Chalkiadakis notiert immerhin zufrieden, dass die Thomas-Cook-Tochter Condor den Flugbetrieb anscheinend aufrecht erhält. Jedenfalls habe der geplante Direktflug von Frankfurt nach Heraklion an diesem Dienstag tatsächlich stattgefunden.
Allein 2019 hat Thomas Cook 400.000 Urlauber nach Kreta gebracht. Chalkiadakis hofft, dass zumindest die eine oder andere Tochtergesellschaft in Deutschland, Skandinavien, Polen oder in der Tschechischen Republik ihr Geschäft weiterbetreibt, obwohl der britische Mutterkonzern Insolvenz beantragt hat. Was die offenen Rechnungen für den letzten Sommer betrifft: "Da gibt es keine Rettung, wir befinden uns jedenfalls in Verhandlungen", erklärt der Hotelverbandschef. Im Gespräch sei sogar ein Schuldenschnitt in Höhe von 20 Prozent.
Zudem hoffen die griechischen Hoteliers auf Hilfe vom Staat, doch bisher gäbe es keine Zusage in dieser Richtung, meint Chalkiadakis. Laut Medienberichten prüft die konservative Regierung von Kyriakos Mitsotakis mögliche Steuererleichterungen für die betroffenen Tourismusunternehmen. Im Athener Parlament fordert die sozialistische Oppositionspartei KINAL großzügige Hilfsmaßnahmen für Hoteliers, die von Thomas-Cook-Verträgen abhängig waren und sich nun in ihrer Existenz bedroht sehen.
Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise
Eine ganz düstere Zukunft malt die Athener Wirtschaftszeitung Naftemporiki: "Thomas Cook - die Lehman Brothers der Tourismusbranche" titelt das Blatt. Da werden Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008 wach, die nicht zuletzt Griechenland in den Sog der Schuldenspirale mitgetrieben hatte. Erst zehn Jahre später, im August 2018, wurde das krisengeplagte Land aus dem Rettungsprogramm der internationalen Gläubiger entlassen und versucht nun auf eigene Beinen zu stehen. Dabei soll ausgerechnet der Tourismus für neue Wachstumsimpulse sorgen.
Das Aus für Thomas Cook lässt Schlimmes erahnen, glaubt Wirtschaftsanalyst Jannis Angelis: "Ich mache mir Sorgen, dass sich da etwas Größeres zusammenbraut", mahnt Angelis im Gespräch mit der DW. Und er fügt hinzu: "Dass ein Branchenprimus fallen gelassen wird, ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass nicht nur in der Tourismusbranche, sondern auch bei der einen oder anderen Bank einiges schief läuft."