Kritik an der afrikanischen Energie-Initiative
10. Mai 2017Auch der letzte Winkel Afrikas soll elektrifiziert werden - mit Hilfe erneuerbarer Energien. Bis spätestens 2030 sollen alle Afrikaner Zugang zu ausreichender und sauberer Energie haben. 300 Gigawatt Strom im Jahr zusätzlich will die Initiative für Erneuerbare Energien in Afrika (AREI) dazu ins afrikanische Stromnetz speisen. Damit würde der Kontinent doppelt so viel Strom produzieren wie bisher.
Afrika besitzt dafür die besten Voraussetzungen. An Sonne, Wind oder Biogas fehlt es dem Kontinent nicht. Dennoch ist das Ziel ambitioniert: Aktuell lebt die Hälfte aller Afrikaner ohne zuverlässige Stromversorgung. Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verbrauchte ein Afrikaner im ganzen Jahr 2014 so viel Strom wie in Deutscher in einem Monat.
Wichtiger Beitrag für Afrikas Entwicklung?
Die AREI wurde 2015 auf der Pariser Klimakonferenz gestartet. 55 afrikanische Regierungschefs standen dahinter. Die Initiative gilt nicht nur als wichtiger Schritt zu einer klimafreundlichen Energieversorgung in Afrika, sonden auch als Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030. Denn der universelle Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und nachhaltiger Energie ist Teil dieser weltweiten Entwicklungsstrategie.
Die G7-Staaten, die EU-Kommission, Niederlande und Schweden haben zehn Milliarden US-Dollar Unterstützung für die AREI zugesagt. Seyni Nafo, der Vorsitzende der Gruppe der afrikanischen Klimaverhandlungsführer und der Berater des malischen Präsidenten ist zuversichtlich, dass die angestrebten Ziele auch erreicht werden. "Zu Beginn der Initiative haben wir auf dem afrikanischen Kontinent 1,5 Gigawatt an erneuerbaren Energien produziert. Nun sind es vier Gigawatt - also mehr als doppelt so viel", sagt Nafo im DW-Interview.
"AREI ist eine großartige Initiative, die uns viele Hoffnung gibt", sagt auch Ibrahim Togola. Mit seinem Start-up Unternehmen Africa Power versorgt er vor allem ländliche Gebiete mit Strom aus erneuerbaren Energien. Europäische Partner müssten aber auch verstehen, dass Kooperationen nur funktionierten, wenn beide Seiten profitieren könnten. "Afrika braucht Europa vor allem wegen der Technik und dem Wissen. Europa aber braucht Afrika, weil es ein enorm wichtiger Markt ist, der enormes Potential hat."
Kritik aus der Zivilgesellschaft
Doch nun kommt Kritik an der Initiative: AfricansRising, ein Verbund afrikanischer Nichtregierungsorgansationen, wirft der EU-Kommission und Frankreich vor, ihre Rolle als Geberländer auszunutzen. Nach Darstellung von AfricansRising würden sich beide Institutionen zu sehr in die AREI-Projekte einmischen und die Initiative gefährden. In einem offenen Brief, den mehr als 200 afrikanische Nichtregierungsorganisationen unterschrieben haben, kritisieren sie den Versuch Frankreichs und der EU-Kommission, Plätze im AREI-Vorstand besetzen zu wollen. Stattdessen soll nach dem Willen von AfricansRising die Zivilgesellschaft stärker einbezogen werden.
"Europa muss AREI als eine afrikanische Initiative anerkennen, die international unterstützt wird", sagt AfricansRising-Chef Kumi Naidoo im DW-Gespräch. Bis 2015 stand der Südafrikaner an der Spitze von Greenpeace. "Wenn die Geldgeber bestimmen, was für Projekte wie umgesetzt werden, kehren wir zurück zu einer postkolonialen Denkweise und das ist keineswegs förderlich für die Entwicklung Afrikas."
"Ergebnis von Intransparenz und Missverständnissen"
"Diese Vorwürfe sind sachlich nicht korrekt", sagt dagegen Seyni Nafo, Vorsitzender der afrikanischen Verhandlungsführer bei den Klimagesprächen. "Ich bin seit der Planung von AREI dabei, und ich kann sagen, dass es ein Vorhaben ist, das durchweg von Afrikanern geplant und umgesetzt wird." Bei den aktuellen Vorverhandlungen für das nächste Klimatreffen habe die Gruppe bereits intensive Gespräche mit den anwesenden Vertretern afrikanischer Zivilgesellschaften geführt und sei durchaus offen für ihre Kritik und Anregungen.
"Aber ich empfehle den Kollegen, sich mit den Beschlüssen der Afrikanischen Union vertraut zu machen." Die habe im Juli 2016 beschlossen, dass neben fünf Vertretern aus verschiedenen Teilen Afrikas, dem AU-Vorsitzenden und der Afrikanischen Entwicklungsbank auch Vertreter sitzen sollten, die nicht aus der Region kommen. Die Wahl fiel auf Frankreich, das zu der Zeit die Präsidentschaft der Klimakonferenz hatte, und der Europäischen Kommission als größten Geldgeber.
Eine weitere Kritik von AfricansRising: Frankreich und die Europäische Kommission würden sich über die von AREI festgelegten sozialen und ökologischen Standards hinwegsetzt hätten, um eigene Projekte durchzusetzen. Bereits existierende Projekte werden nach Darstellung von AfricansRising als neue verkauft. Auch diesen Vorwurf weisst Nafo zurück: Laut Satzung baue die Initiative auf bereits bestehenden Projekten auf. Die afrikanischen Unterhändler hätten sich darauf geeinigt, um den Ball schneller ins Rollen zu bringen. "Zurzeit gibt es mehr als 200 verschiedene Energieprojekte in Afrika und es kommen jeden Monat neue dazu. Deren Überwachung und Koordination ist nicht zu unterschätzen." Neue Projekte würden vermehrt beginnen, sobald die Aufbauphase abgeschlossen sei. Das soll Ende dieses Jahres der Fall sein.
Unternehmer Togola aus Mali ist bestürzt über die öffentliche Debatte um AREI. "Ich finde das Ganze sehr bedauerlich", sagt er. Es sei das Ergebnis von Intransparenz und Missverständnissen. "Wir sollten daraus lernen und AREI wieder auf den richtigen Weg bringen, weil es genau das ist, was Afrika braucht", so der Energieexperte weiter.