Indonesiens Anti-Terror-Programm
20. Juni 2012Seit 2002 hat die indonesische Polizei mehr als 700 Terroristen gefasst. Gleichzeitig gibt es ein Programm zur Rehabilitierung beziehungsweise De-Radikalisierung inhaftierter Extremisten. Letzteres wird jedoch als wenig wirksam kritisiert. Die Justizbehörden seien "nett zu den Terroristen, um Informationen aus ihnen herauszubekommen", sagen Insider.
Als Erfolgsbeispiele des Programms gelten Ali Imron und Nasir Abbas. Ali Imron ist der Bruder der beiden Bali-Attentäter Ali Ghufron und Amrozi, die im Jahre 2008 hingerichtet wurden. Ali Imron wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Die drei Brüder waren Drahtzieher der Bombenanschläge auf Bali in 2002, bei denen mehr als 200 Menschen getötet wurden. Ale, wie Ali Imron gewöhnlich genannt wird, bereut seine Beteiligung an den Bombenanschlägen. "Um für seine Sünden zu büßen", wie er sagt, arbeitet er nun mit der Anti-Terrorismus-Spezialeinheit der indonesischen Polizeielite zusammen.
Wandel durch Gespräche
Nasir Abbas studierte in den 80er Jahren in Afghanistan, später wurde er eine Führungspersönlichkeit der Jemaah Islamiyah (JI), eine in Südostasien operierende terroristische Gruppierung. Außerdem war er Ausbilder in einem Terroristenlager in Mindanao auf den südlichen Philippinen.
Nachdem die indonesische Polizei ihn gefasst hatte, wandelte sich Nasir Abbas. Im Gefängnis konnte mit einem Justizbeamten über den Dschihad und den Islam diskutieren. Inzwischen hilft er der Polizei bei der Terrorismusbekämpfung, einige wichtige Terroristen wurden aufgrund seiner Informationen verhaftet. "Ich habe das Netzwerk der Jemaah Islamiyah offengelegt. Denn die JI wird, wenn man sie gewähren lässt, weiter die Lehren Osama bin Ladens verbreiten und noch gefährlicher werden", so Nasir Abbas gegenüber DW.DE.
"De-Radikalisierung ist gescheitert"
Solche Wandlungen wie die von Nasir Abbas und Ali Imron sind jedoch Ausnahmen. Die meisten Terroristen kämpfen nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis weiter für den Dschihad. Deshalb die kritische Einschätzung des indonesischen Terrorismusexperten Solahudin: "In den vergangenen zehn Jahre wurden mehr als 700 Terroristen verurteilt. Aber Verurteilung allein reicht nicht aus. Das Programm der De-Radikalisierung durch die indonesische Regierung ist gescheitert."
So zogen zwei Extremisten aus dem Umfeld des 2009 getöteten Terroristen Noordin M. Top nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis sogleich wieder in den Dschihad. Luthfi Haidaroh alias Ubaid wurde 2010 erneut festgenommen, weil er an der Gründung eines Terror-Ausbildungslagers in der Provinz Aceh beteiligt war. Budi Pranoto alias Urwah traf sich sofort nach seiner Entlassung mit Gesinnungsgenossen, um die Bombenattentate auf die Hotels Marriott und Ritz Carlton Hotel im Jahre 2009 in Jakarta vorzubereiten.
Nachwuchsrekrutierung im Gefängnis
"Es hat sich gezeigt, dass Strafe die Terroristen nicht abschreckt. Meiner Meinung nach sollte sich die indonesische Regierung auf ein wirklich wirksames Programm zur De-Radikalisierung konzentrieren", meint Experte Solahudin. Kritiker aus den Reihen der Anti-Terroreinheit der Regierung sagen sogar, dass Extremisten im Gefängnis unter staatlichem Schutz ihre Lehren verbreiten, Anschläge planen und junge radikale Muslime rekrutieren können.
Manchmal mit Langzeitwirkung, wie sich bei einem Banküberfall auf Bali im vergangenen März zeigte. Denn einer der Bankräuber, Hilman Jayakusuma, saß vor Jahren mit Imam Samudra, einem der Attentäter von Bali, im Gefängnis. Dabei wurde Hilman Jayakusuma von dem Top-Terroristen – er wurde 2008 hingerichtet - zum Dschihadisten bekehrt. Nach der Haftentlassung gelang es Hilman, drei ehemalige Mitinsassen für den Raubüberfall zu gewinnen, um Terroraktionen zu finanzieren. Imam Samudra hatte damals auch den bekannten Hacker Muhamad Agung Prabowo alias Max Fiderman von der Gefängniszelle aus per Online-Chat überredet, ihm bei der Erstellung seiner dschihadistischen Webseite zu helfen. Das Geld dafür hatte sich der Student durch Kreditkartenbetrug im Internet besorgt.