Kuba: Abschied von der Planwirtschaft?
19. Juni 2019Es waren nur wenige Sätze in einer längeren Rede, aber die ließen aufhorchen. Auf der Klausur des Kongresses der Vereinigung der Ökonomen und Wirtschaftsprüfer Kubas (Asociación de Economistas y Contadores de Cuba, ANEC) am zurückliegenden Wochenende in Havanna bestätigte Kubas Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel, was Wirtschaftsminister Alejandro Gil bereits zuvor angekündigt hatte. Ab dem kommenden Jahr werden die Produktionspläne in den staatlichen Unternehmen nicht mehr "von oben" vorgegeben, sondern von den Arbeitern selbst gemacht. Die Staatsbetriebe erhalten also mehr Autonomie.
Damit beendet die Regierung die jahrzehntelange Zentralisierung die Wirtschaft. "Es ist eine kühne und revolutionäre Maßnahme, die Objektivität, Realismus und Bewußtsein erfordert", lobte sich Díaz-Canel quasi selbst. Sie soll dazu beitragen, die kriselnde Wirtschaft der Karibikinsel zu beleben. Die Regierung hatte zuletzt immer wieder betont, dass wegen der chronischen Devisenknappheit Importe reduziert und mehr im Land selbst produziert werden solle. Dafür aber müssen die Staatsbetriebe effektiver werden. Die Maßnahme dürfte auch vor diesem Hintergrund zu sehen sein.
"Vorsicht ist geboten"
"Mehr Autonomie für die Staatsbetriebe ist dringend nötig, aber ob die Ankündigung Díaz-Canels tatsächlich ein 'Ende der Planwirtschaft' bedeutet, da scheint große Vorsicht geboten", sagt Bert Hoffmann, Kuba-Experte am GIGA (German Institute of Global and Area Studies), gegenüber der DW. "Die Beharrungskräfte sind stark und Ankündigungen noch längst keine konsequente Umsetzung."
Das weiß auch Kubas Präsident. "Um diese seit Jahren geforderte Maßnahme wirksam umzusetzen, ist ein Mentalitätswandel notwendig", so Díaz-Canel in seiner Rede. Auch befragte Kubaner zeigen sich eher skeptisch, was ein Ende der Planwirtschaft angeht. Die Rede kommt immer wieder auf eine Kultur in den Betrieben und auch Behörden, in der die "Befehle von oben" nicht in Frage gestellt werden. Die zu ändern dürfte die größte Herausforderung werden. Auch sei mehr Autonomie schon länger versprochen worden.
Tatsächlich war bereits in den auf dem Kongress der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) im April 2011 verabschiedeten sozial- und wirtschaftspolitischen Leitlinien mehr Autonomie für Staatsbetriebe angekündigt worden. Die Erneuerung des Staatssektors gilt als Kernstück der vom damaligen Präsidenten Raúl Castro eingeleiteten Reformen. Rund 70 Prozent der Kubaner sind immer noch in staatlichen Behörden und Betrieben beschäftigt.
Das Gesetz zur Reform staatlicher Unternehmen vom Dezember 2014 gab staatlichen Unternehmen mehr Spielraum bei der Finanzplanung und der Entwicklung eigener Lohn- und Anreizsysteme, insgesamt aber waren bisherige Gesetzesinitiativen eher zurückhaltend, was die Dezentralisierung von Entscheidungen betrifft.
"Kuba stehen schwere Zeiten bevor"
"Angesichts der dramatischen Verschlechterungen der externen Situation - Venezuela, Mais Medicos, Trump - hat Kuba wenig andere Alternativen als heimische Ressourcen zu mobilisieren", so Hoffmann. Tatsächlich hat sich die geopolitische Großwetterlage für Kuba merklich eingetrübt. Die wirtschaftliche und politische Krise von Kubas engstem Verbündeten Venezuela macht sich zunehmend auch auf der Insel bemerkbar. Die Erdöllieferungen durch Caracas sind um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Und durch das Ende des Ärzteprogramms Mais Médicos (Mehr Ärzte) mit Brasilien fallen jährlich rund 400 Millionen US-Dollar an Devisen weg. Die USA wiederum haben unter Präsident Donald Trump die Blockadepolitik wieder verschärft. Ausländische Unternehmen, die nach der Revolution beschlagnahmten und verstaatlichten Besitz nutzen, können seit Mai vor US-Gerichten auf Schadensersatz verklagt werden. Das zielt vor allem darauf ab, bei potentiellen Investoren Unsicherheit zu stiften. Zudem erließ Washington neue Beschränkungen für Besuchsreisen und Geldüberweisungen nach Kuba.
"Suchen Sie in diesen schwierigen Zeiten nach Möglichkeiten, das Investitionsklima zu verbessern und Handel und Investitionen zu erleichtern", rief der EU-Botschafter in Havanna, Alberto Navarro, Ende Mai auf einem Arbeitstreffen europäischer Unternehmer und ausländischer Diplomaten, bei dem die Presse zugelassen war, den anwesenden kubanischen Regierungsvertretern zu. Er habe noch kein Land gesehen, das es mit Entwicklungshilfe allein geschafft hätte, nötig seien ausländische Investitionen.
Für Hoffmann geht das Problem über mehr Autonomie für Staatsbetriebe und mehr ausländisches Kapital hinaus. "Auch für den Privatsektor und Genossenschaften bräuchte es mehr Freiräume und auch mehr Rechtssicherheit." Das Programm der Regierung sei eigentlich eine langsame, schrittweise Reform gewesen, vermutet er. "Nun sieht es so aus, dass sie dafür nicht mehr die Zeit haben und schneller reformieren müssen als gewollt. Doch auch dann sind schnelle Verbesserungen der Versorgungslage kaum zu erwarten. Kuba stehen schwere Zeiten bevor."