Kuba: Zuckerrohr und Zugangskontrolle
26. Juli 2003Womöglich hat der kubanische Staatspräsident Fidel Castro schon seit 1997, als die kommunistische Parteizeitung ihre erste Online-Ausgabe ins Netz stellte, einen eigenen Internetanschluss in seinem Büro. Auch sein Volk ist zwar grundsätzlich "drin" im Internet, surfen dürfen die Bewohner der Zuckerrohrinsel aber nur unter strenger Aufsicht. Lange Zeit versuchte die Staatsführung sogar, den Kubanern die Segnungen des weltweiten Datenverbundes ganz vorzuenthalten.
Detaillierte Protokolle
Noch Anfang 1999 hatten kaum mehr als 2.000 der rund 11 Millionen Kubaner einen funktionierenden Internetzugang. Ausgerüstet wurden damals vor allem staatliche Stellen und hochrangige Parteikader. In der kubanischen Organisation für Internet-Angelegenheiten, so berichtet der Autor Bernd Hoffmann in einer Untersuchung über das Internet und Politik in Lateinamerika, mussten selbst Abteilungsleiter protokollieren, welche Seiten sie wann und warum im Netz aufriefen.
Internet-Zugang auf dem Schwarzmarkt
Die Zahl der Internetzugänge hat sich mittlerweile zwar dank des nationalen Plans zur "Informatisierung der Gesellschaft" deutlich erhöht und liegt bei rund 120.000. Die Versorgung der Bevölkerung mit unabhängigen Informationen garantiert das aber nicht. Während in die Ausrüstung von Postämtern mit Internet-Terminals und in innerstaatliche E-Commerce-Projekte investiert wird, bleibt der unkontrollierte private Zugang zum Netz weiter verboten. Mit Hilfe des Schwarzmarktes und für viel Geld lässt er sich auf riskanten Wegen dennoch realisieren.
Lücken im System
Neben der staatlichen Kontrolle hemmt auch der schlechte Zustand des staatlichen Telefonnetzes die Internet-Entwicklung. Nur vier von hundert Kubanern verfügen überhaupt über einen eigenen Telefonanschluss. Verbindungen ins Ausland sind teuer und werden vom Staat überwacht, so dass eine Einwahl über einen ausländischen Internet-Provider nicht in Frage kommt. Die wenigen vom Staat autorisierten Internetnutzer müssen schriftlich versichern, im Netz keine rassistischen, pornografischen oder "antikubanischen" Inhalte zu suchen.
Spezielle Sicherheitsbeauftragte in Unternehmen sowie die soziale Kontrolle durch die Kollegen, kombiniert mit hohen Strafen bei Zuwiderhandlung, dienen der Abschreckung. Kleine Lücken im System gibt es dennoch: Aufsichtspersonal, das wegschaut, oder die stillschweigende Duldung von privaten Email-Adressen - offiziell sind nur die Adressen der Institutionen erlaubt - machen das Internet auch für kubanische Surfer ein wenig durchlässiger für unabhängige Informationen.
Geheimprozesse gegen Regierungskritiker
Für "Reporter ohne Grenzen" gehört Kuba trotz der in der Verfassung garantierten grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte auch heute noch zu den Sorgenkindern im Hinblick auf den Umgang mit der Pressefreiheit. Nach Informationen der Pariser Zentrale hat die Regierung in Havanna begonnen, wieder einen schärferen Ton gegenüber Regierungskritikern anzuschlagen. Die Organisation berichtet von Geheimprozessen gegen mehrere unabhängige Journalisten, die Mitte April zusammen mit Dissidenten und Menschenrechtlern zu hohen Freiheitsstrafen (bis zu 27 Jahre) verurteilt worden sind. Unabhängiger Journalismus sei verboten, kritische Meinungen würden unterdrückt, sagt Régis Borgeat von "Reporter ohne Grenzen". Kuba sei mit dieser Haltung das einzige totalitäre System Lateinamerikas. Durch die Verhaftungswelle im Frühjahr sei die Insel innerhalb weniger Tage zum größten Journalisten-Gefängnis der Welt geworden, noch vor Eritrea, Myanmar und China.
Derzeit kann man nur darauf hoffen, dass der ehemalige IBM-Deutschland-Chef und BDI-Vorsitzende Hans-Olaf Henkel letztlich doch Recht hatte, als er nach einem Besuch Kubas im Jahr 1999 prophezeite: "Das Internet wird Castro stürzen!"