Kundus-Opfer wütend über Beförderung Kleins
14. August 2012Der Name des deutschen Bundeswehrobersten Georg Klein hat in Afghanistan keinen guten Klang, ganz im Gegenteil. Denn Oberst Klein hatte in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 den Befehl zur Bombardierung zweier entführter Tanklastwagen nahe dem Feldlager Kundus gegeben. Über 100 Afghanen starben dabei beziehungsweise erlitten zum Teil schwere Verletzungen, die meisten davon Zivilisten, auch viele Kinder. Trotz der tragischen Fehlentscheidung, die Klein möglicherweise unter dem Druck eines vermeintlich bevorstehenden Angriffs traf, wurde Klein niemals belangt.
Personelle Konsequenzen gab es wegen mangelhafter Informationspolitik des Verteidigungsministeriums dennoch; ein Minister trat zurück, der Generalinspekteur der Bundeswehr musste seinen Posten ebenfalls räumen. Alle juristischen Prüfungen ergaben aber weder eine Anklage noch gar einen Schuldspruch gegen Klein.
"Normaler Vorgang"
Insofern ist die Beförderung Kleins zum General, drei Jahre nach jenem verhängnisvollen Befehl, aus Sicht der Bundeswehr ein "ganz normaler" Vorgang. Er hängt zusammen mit seinem künftigen Schreibtisch-Job als Abteilungsleiter im neuen Bundeswehr-Amt für Personalmanagement. Kommentare in der deutschen Presse sind jedoch überwiegend kritisch. Was ein "ganz normaler" Vorgang innerhalb der Bundeswehr sein mag, sehe moralisch und außenpolitisch anders aus. "So gewinnt der Westen nicht die Herzen der Afghanen", heißt es in einem Kommentar.
Der Anwalt der Hinterbliebenen der Opfer von Kundus, Karim Popal, ist enttäuscht von der Beförderung Oberst Kleins und der Afghanistan-Politik Deutschlands insgesamt. "Herr Oberst Klein und sein damaliger Flugleitoffizier Wilhelm werden jetzt in der Bundesrepublik Deutschland noch befördert. Das sehe ich als einen Schlag ins Gesicht der afghanischen Zivilbevölkerung." Das werde in Afghanistan ganz gewiss nicht als Akt der Völkerverständigung gesehen, so der Bremer Anwalt.
Karim Popal steht in engem Kontakt mit den Angehörigen und Hinterbliebenen der afghanischen Opfer in Kundus. Sie hätten einen ausführlichen Brief an die Bundesregierung abgefasst, in dem sie fordern, dass die für den Tod ihrer Kinder, ihrer Väter, ihrer Familien Verantwortlichen verurteilt werden. Für diese Menschen komme die Beförderung von Oberst Klein einer Beleidigung gleich, so der Anwalt weiter.
Wut auch über "halbherzige Hilfe"
Zu frisch sind die Erinnerungen an die Nacht des 4. September 2009. Sayed Rasoul, der Bruder eines der Opfer von Kundus, ist verzweifelt. Er sei seitdem für die Waisenkinder seines Bruders verantwortlich und wisse kaum, wie er sie über die Runden bringen soll, beschwert er sich. "Die Hilfen, die uns zuteil wurden, sind nutzlos. Wenn wir gewusst hätten, dass uns nicht langfristig geholfen würde und nach drei Jahren immer noch niemand an die Waisen denkt, hätten wir das nicht akzeptiert." Der Verantwortliche für diese Tat müsse vor Gericht gestellt werden, fordert Rasoul.
Verbittert reagiert auch Noor Jaan, der bei dem Angriff vor drei Jahren schwer verletzt wurde, auf die Nachricht aus Deutschland. "Ich habe eine Hand verloren und in meiner Schulter fehlt die Hälfte der Knochen. Sie haben mir versprochen, mich zu operieren. Aber bis heute ist nichts passiert." Noor Jaan ist den Tränen nahe und bebt förmlich vor Wut. Hätten die Verletzten und Hinterbliebenen damals gewusst, dass die Hilfe nur halbherzig ausfallen würde, hätten sie sich damit niemals zufrieden gegeben, sagt er. (Den Familien von 91 Toten und elf Schwerverletzten wurden von der Bundeswehr 5.000 US-Dollar humanitäre Hilfe zugebilligt.)
"Wir haben Oberst Klein nie verziehen. Falls die deutsche Regierung ihm verziehen hat, sind wir sehr enttäuscht", betont Noor Jaan. In den nächsten Tagen soll der Brief der Hinterbliebenen und Opfer des Bombardements von Kundus veröffentlicht werden.