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Kunst aus Deutschland für Friedhof in Jerusalem

Miriam Dagan
2. November 2019

Ein deutscher Künstler hat für einen neuen unterirdischen jüdischen Friedhof in Israel sehr spezielle Lichtkunst geschaffen: Yvelle Gabriel bezieht sich auf die mystische Lehre des Judentums, die Kabbala.

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Kunstwerk des Glaskünstlers Yvelle Gabriel im unterirdischen Friedhof von Jerusalem
Bild: Yvelle Gabriel

Der deutsche Künstler Yvelle Gabriel sieht zum ersten Mal seine fünf "Lichtsphären". Sie hängen in den gewaltigen Fluren eines der größten unterirdischen Friedhöfe der Welt. Als er das letzte Mal in Jerusalem war, hat er hier den Prototypen installiert. So, wie die riesigen Leuchtkörper aus Glas jetzt in der neuen jüdischen Grabstätte hängen, soll es wortwörtlich für die Ewigkeit sein – denn auch die Gräber sind nach jüdischem Recht für die Ewigkeit angelegt.

Die jüdische Begräbnisstätte Har Hamenuchot, oder Berg der Ruhenden, ist mit 170.000 Gräbern der größte Friedhof der heiligen Stadt. Still und friedlich liegt er auf einer Anhöhe etwas abseits des Zentrums, aber nicht zu weit weg, so wie es das jüdische Recht vorschreibt. Tief in den Berg wurde vier Jahre lang ein Tunnelsystem gegraben und gebaut, um den Friedhof zunächst um 8000 unterirdische Gräber zu erweitern – ein etwa 76 Millionen Euro teures Bauprojekt. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen noch 16.000 weitere Gräber hinzukommen, denn in Israel herrscht gravierender Platzmangel für Grabstätten. Und auch mindestens fünf weitere Glasleuchten soll Gabriel dafür noch schaffen.

Blick in den unterirdischen Friedhof mit Lichtkunstwerk von Yvelle Gabriel
Blick in den unterirdischen Friedhof mit Lichtkunstwerk von Yvelle GabrielBild: Yvelle Gabriel

Die Leuchtobjekte bestehen aus einem Körper in einem Körper

In den ingesamt 1,7 Kilometer langen Fluren der gewaltigen Katakomben sind sie so installiert, dass man sie aus jeder Blickachse sieht. Die geometrischen Glasleuchten bestehen aus zwölf fünfeckigen Flächen, es handelt sich um platonische Körper, die in der Kabbala, der mystischen Lehre des Judentums, dem Äther entsprechen – der Quintessenz des Lebens, der Seele. Steigt man in dem doppelstöckigen Bau die Treppe hoch, dann lassen sich die "Sphären" ganz aus der Nähe betrachten. Man entdeckt im Inneren des aus roten, bräunlichen und gelben Glasflächen bestehenden Körpers eine weitere geometrische Figur – ein Körper in einem Körper. Auch das ist symbolträchtig: im Judentum legt man auf seiner letzten Reise die Hülle der Seele, den Körper, ab. Durch das doppelte Glas erzeugen die Leuchten ein faszinierendes Schimmern. Aus jedem Winkel wirken sie ein bisschen anders, mal heller, mal dunkler, mal rot, mal gelblich.

Chananya Shachor (li.) und Yvelle Gabriel
Chananya Shachor (li.) und Yvelle GabrielBild: Dvir Media

Entscheidung für Yvelle Gabriel durch persönliche Begegnung

Die Symbolik, ja beinahe jeden Schritt der Entstehung, besprach Yvelle Gabriel in einer engen Zusammenarbeit mit Chananya Shachor, der den für den Friedhof zuständigen Beerdigungsverein der jüdischen Gemeinschaft Jerusalem leitet. Dass ausgerechnet ein nicht-jüdischer, deutscher Künstler den Auftrag für dieses urjüdische Projekt bekommen hat, liegt vor allem an der persönlichen Begegnung der beiden. Gabriel hörte in einem Fernsehbericht von dem Bau des Friedhofs und sprach Chananya Shachor im Februar 2018 einfach an. Die Chemie stimmte und sie machten gleich Nägel mit Köpfen: innerhalb von 24 Stunden hatte Gabriel den Auftrag.

"Gabriel hat eine Verbindung und ein tiefes Wissen über das Judentum, das habe ich sofort gemerkt. Er ist ein sehr spiritueller Mensch. Ich hatte überhaupt keine Zweifel daran, ihm diesen Auftrag zu geben," sagte Chananya Shachor, den inzwischen eine Freundschaft mit dem Künstler verbindet. Er selbst spricht etwas Deutsch, denn seine Eltern sind damals vor den Nazis aus Hamburg geflüchtet. "Bei uns Zuhause gehörte die deutsche Kultur dazu – mit Kinderliedern wie Hoppe, Hoppe, Reiter und allem. Daher hatte die Zusammenarbeit für mich etwas ganz Natürliches," erzählt er weiter.

Nahaufnahme einer Lichtsphäre von Yvelle Gabriel
Die Lichtsphären erinnern an SonnenBild: DW/M. Dagan

Yvelle Gabriel hatte zuvor ein monumentales sakrales Glaskunstwerk für die Synagoge des Chaim Sheba Medical Centers in Israel geschaffen – eine Arbeit, die viel Aufmerksamkeit erregte und auch ein großer Vertrauensbeweis der traditionell eher verschlossenen jüdischen Gemeinschaft bedeutete. Für Gabriel war es eine wichtige Erfahrung gewesen und das erste Mal, dass er sich intensiv mit dem Judentum auseinandersetzte. Er mietete für die Arbeit an der Synagoge ein Atelier in Israel und begann eine bis heute fortwährende Zusammenarbeit mit örtlichen Glas- und Metallspezialisten.

Transformation und Versöhnung als große Themen

"Bei dem Sheba-Projekt war es für mich ein großes Thema, dass ich Deutscher bin. Ich hatte plötzlich das Gefühl, ich darf ja Deutscher sein!" Transformation und Versöhnung sind Gabriels großen Themen: Versöhnung zwischen den Religionen, aber auch Versöhnung mit der eigenen Vergangenheit. Bei dem aktuellen Projekt kam eine neue Ebene hinzu: "Dass ich Deutscher bin, darum ging es auf einmal nicht mehr. Chananya und ich haben natürlich über die Geschichte gesprochen, aber wir haben die Schuldfrage ausgeklammert. Es war einfach alles selbstverständlich. Es ging niemals darum: Du bist ja kein Jude. Und das ist etwas Besonderes, denn es geht ja um einen jüdischen Friedhof", so Gabriel.

Blick in den unterirdischen neuen Friedhof in Jerusalem
Bislang befinden sich 8000 Gräber unter der ErdeBild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Der in Mainz geborene Künstler lebt heute mit seiner Familie in einem Bauernhaus an der Lahn, pendelt derzeit zwischen Glaswerkstätten in Taunusstein und seinem Atelier in Israel hin und her. Anfangs, so erzählt Gabriel, hatte er hier in den Katakomben manchmal etwas Zeit für sich allein, als alle Bauarbeiter nach Hause gegangen waren. Er stellte sich dann vor, wie es sein werde, wenn die Gräber belegt sind und seine "Lichtsphären" die Seelen auf ihrer letzten Reise begleiten. Eines Tages, in hunderten Jahren, werde das vielleicht auch ein verlassener Ort sein, die Lichtobjekte von Staub bedeckt, und doch beständig. Das rostresistente Aluminium und das dicke Glas, aus denen sie bestehen, sollen jedenfalls noch lange halten.