Cannes kann's
13. Mai 2009Cannes kann's. Das gilt nach wie vor. Das Festival an der Mittelmeerküste, das am Mittwoch (13.05.2009) eröffnet wurde, hat weltweit keine Konkurrenz. Berlin, Venedig oder Toronto können der Veranstaltung an der viel zitierten Croisette nicht das Wasser reichen. Der Wettbewerb um die Goldene Palme ist auch noch nach Jahrzehnten magischer Anziehungspunkt für Produzenten und Regisseure, Schauspieler und Filmstudios. Wer eingeladen wird, darf stolz damit werben. Wer draußen bleibt, hat das Nachsehen.
Palmen für Klassiker
Vielleicht kann man die Bedeutung von Cannes am besten an den Siegerfilmen der vergangenen Jahrzehnte deutlich machen. Die meisten Palmengewinner sind zu Klassikern der Kinogeschichte geworden. Kaum ein Jahrgang, in dem nicht mehrere herausragende Filme im Wettbewerb um den Hauptpreis buhlten. Ob "Der dritte Mann" oder "Das süße Leben", ob Bunuels "Viridiana" oder Viscontis "Leopard", "Blow Up" oder "MASH", "Taxi Driver" oder "Apocalypse Now" - sie alle erhielten die begehrte Palme. Die illustre Liste ließe sich ohne Schwierigkeit fortsetzen.
Wer kennt dagegen schon die Siegerfilme aus Berlin oder auch aus Venedig aus den letzten Jahrzehnten? In der deutschen Hauptstadt werden beispielsweise Jahr für Jahr ehrenwerte, aber kaum künstlerisch wertvolle Filme ausgezeichnet, "politisch korrekte" Werke statt ästhetisch interessante. Das liegt natürlich auch daran, dass die großen Regisseure alle nach Cannes wollen, hier finden sie die meiste Aufmerksamkeit, hier werden Karrieren angeschoben.
Ästhetische Wegmarken
Cannes bildet auch Filmgeschichte ab. Palmen-Gewinner wie "Lebewohl, meine Konkubine" (China, 1993) oder "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" (Rumänien, 2007) stehen auch für die cineastische Entwicklung einer ganzen Nation, einer Film-Region. Aufsehenerregende Werke wie "Sex, Lügen und Video" (1989) oder "Wild at Heart" im Jahr darauf oder auch "Pulp Fiction" (1994) haben Regisseure weltweit beeinflusst, neue ästhetische Wegmarken gesetzt.
Deutsche in Cannes
Und auch das deutsche Kino hat hier geglänzt - auch wenn die französischen Festivalchefs das Kino ihres Nachbarlandes über die Jahre nicht gerade hofiert haben. 1979 holte hier Volker Schlöndorff die Goldene Palme für seine vitale "Blechtrommel"-Verfilmung, 1984 triumphierte Wim Wenders mit seinem elegischen "Paris, Texas". Ansonsten tummeln sich deutsche Filme in den letzten Jahren eher in den vielen Nebenreihen und machen dort Werbung für das deutsche Kino. Manchmal haben sie damit mehr Erfolg als in ihrer Heimat. Als "Nouvelle Vague Allemande" wurden die Filme der jungen Regisseure aus Berlin in Frankreich gefeiert.
Nouvelle Vague Allemande
In Frankreich ist das ein geradezu enthusiastisches Lob, spielt das doch auf eine der wichtigsten filmischen Neuerungsbewegungen im europäischen Nachkriegskino an. Auch die "Nouvelle Vague", der Aufbruch der französischen Filmemacher Truffaut, Godard und Chabrol, spielte sich zu Beginn der 1960er Jahre zu großen Teilen in Cannes ab. Im Revolutionsjahr ´68 waren Godard & Co dann auch verantwortlich für den Abbruch des Festivals, das so auch - zumindest indirekt - seinen politischen Anspruch demonstrierte.
Berühmtester Teppich der Welt
Daneben war Cannes aber natürlich auch immer ein Fest für den Boulevard. Die Auftritte der Stars auf dem berühmten roten Teppich, das Winken in die Kameras, das Defilee der teuren Roben sind legendär. Das Festival wurde so auch zu einem der weltweit begehrtesten Treffpunkte der Klatsch- und Tratschpresse, von Show und Schlagzeilen. Cannes lockte immer schon auch Hollywood an die Croisette. Die großen amerikanischen Major-Studios haben das Festival längst als glänzenden Marketing-Ort entdeckt. So hat sich in Cannes der Kommerz neben der Kunst etabliert, in den teuren Hotels am Mittelmeer wird gehandelt und verhandelt, gekauft und verkauft.
Der Filmrubel rollt - auch in diesem Jahr
Und das wird auch in diesem Jahr, während der 62. Festivalausgabe, nicht anders sein. Zwar fallen wegen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zahlreiche Empfänge und Partys kleiner oder ganz aus. Doch dabei sein wollen sie wieder die alle, die großen Studios, die Stars aus Hollywood, die Einkäufer aus aller Welt. Denn Cannes, soviel ist sicher, ist die unumschränkte Nummer Eins unter den Filmfestivals, in diesem Jahr wieder und höchstwahrscheinlich auch in den kommenden.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Aya Bach