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Wie gesundheitsschädlich ist Mikroplastik im Meer?

Enrique Gili
8. Juni 2017

Wie wäre es mit etwas Plastikbeilage zum Fischgericht? Könnte sein, dass Sie die schon zu sich nehmen, auch wenn Sie nicht wollen. Die Wissenschaft versucht zu verstehen, wie gefährlich die Stoffe für den Menschen sind.

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Möwe mit Plastikmüll im Schnabel
Bild: picture-alliance/dpa/J. McDonald

Ein von Dreck und Abfall überquellender Strand ist nicht nur besonders hässlich. Er macht uns auch deutlich, dass wir ein ernstes Müllproblem haben. Ernst genug, um uns über unsere Gesundheit Sorgen machen zu müssen. Und die Gesundheit der Arten in den Meeren.

Denn nicht nur die Strände sind voll von großen, sichtbaren Plastikabfällen. In den Ozeanen selbst treiben auch für das Auge unsichtbar kleine Teilchen Kunststoff, sogenanntes Mikroplastik. Das sind die Teile, zu denen größere Abfälle mit der Zeit zerrieben werden und die am Ende auf unseren Tellern landen. 

In jedem Quadratkilometer Ozean schwimmen schätzungsweise 63.320 solcher Klein- und Kleinst-Teile, heißt es in einer aktuellen Studie. Ein Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2016 geht sogar davon aus, dass die Gewässer Ostasiens mit dem bis zu 27-fachen dieses Wertes belastet sind. Mikroplastik wurde selbst in abgeschiedenen mongolischen Bergseen nachgewiesen und am Polarkreis. 

Was bedeutet das für die Menschen?

Experten sind sich darüber noch nicht vollständig im Klaren. Aber die Zahl der Beweise dafür, dass diese Plastikpartikel sehr wohl einen Einfluss auf den Organismus haben, nimmt zu. Das gilt nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen. Die Indizien lasten so schwer, dass die UNO die winzigen Körner zu einer von sechs Umweltbedrohungen erklärt hat, die tiefergehend erforscht werden sollen.

"Die wissenschaftliche Gemeinschaft arbeitet mit Hochdruck daran zu verstehen, welche Auswirkungen Verunreinigungen mit Mikroplastik auf verschiedene Organismen haben. Dabei geht es auch um das Risiko für die Gesundheit des Menschen, das durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln entstehen könnte", heißt es in dem UN-Bericht.

Du bist, was du isst

Teile des Kunststoffs treiben mit den Meeresströmungen und landen so früher oder später vor den Mäulern hungriger Meereslebewesen. Wissenschaftler haben solche Partikel bereits in Plankton nachgewiesen, quasi dem Ursprung der Nahrungskette. Schließlich ernähren sich unter anderem Fische von diesen Kleinstlebewesen. Sie werden wiederum zur Nahrung für größere Raubfische oder Seevögel. 

Plastikmüll unter der Lupe
Plastikmüll unter der LupeBild: eXXpedition 2016/Agathe Bernard

So bewegt sich Mikroplastik in der Nahrungskette immer weiter voran. Ein Viertel der Fische, die für eine weitere Studie in Kalifornien und Indonesien unter die Lupe genommen wurden, hatten Kunststoff und Textilfasern in ihren Eingeweiden.

Ob Menschen nun auf diesem Wege mehr Chemikalien ausgesetzt werden, die Teil dieser Partikel sind, ist nicht ganz klar. Es fehlen schlicht die Beweise dafür oder dagegen. Es gibt jedoch die Sorge, dass Mikroplastik eine Gefahr für das Leben darstellt, wenn es Verbindungen mit chemischen Stoffen, Pestiziden oder feuerfesten Materialien eingeht. Man müsste wohl nur eine ausreichend große Menge davon zu sich nehmen. 

Die Forscherin Lucy Gilliam befasst sich seit Langem mit der Materie. Sie ist Mitbegründerin von "eXXpedition", einem Forscherteam, das nur aus Frauen besteht und regelmäßig auf den Weltmeeren unterwegs ist. "Mikroplastik ist lipophil", sagte Gilliam zu DW. Das heißt, die winzigen Teile sind fettlöslich und absorbieren organische Verbindungen "wie ein Schwamm", fügt die britische Mikrobiologin hinzu.

Gilliam hat in ihrer Karriere für das Umweltministerium Großbritanniens gearbeitet und den Einfluss von Kunststoff und Chemikalien, etwa auf den Hormonhaushalt des Menschen, untersucht. Angespornt durch die Ozean-Aktivisten "5 Gyres" gründete sie schließlich 2011 "eXXpedition". Zusammen mit der Meeresschützerin Emily Penn kämpft sie dafür, Plastik in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, mit Frauen an der Spitze der Forschung. Daher auch das XX im Namen ihrer Organisation, das für die weiblichen Chromosomen steht.

Die Forschung hat gezeigt, dass Verunreinigungen, die ins Meer gelangen, mit der Zeit immer konzentrierter auftauchen. Der Prozess heißt Bioakkumulation. Also jedes Mal, wenn ein Raubtier Beute, in dessen Gewebe Plastik lagert, macht, landet sie im Räuber und konzentriert sich so an der Spitze der Nahrungskette. 

Festzustellen, wie Mikroplastik seinen Weg durch die Nahrungskette findet und was es dort anrichtet, braucht zusätzliche Erforschung, sagt Dick Vethaak. Der Experte für Umweltgifte arbeitet an der Vrije Universität in Amsterdam.

"Ich halte Mikroplastik für eine Gesundheitsgefährdung", sagt Vethaak. Allerdings würden die ökologischen Auswirkungen auf das Leben im Meer bislang unterschätzt und seien nach wie vor nicht eindeutig, erklärt er. "Man muss etwas über das Niveau der Verbreitung in der Umwelt wissen, bevor man etwas über das Risiko sagen kann. Die Belastung bestimmt das Risiko", so Vethaak.

Einen Zusammenhang herstellen

Schiff von eXXpedition mit Aktivisten, die winken
eXXpedition kämpft dafür, Plastik in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, mit Frauen an der Spitze der ForschungBild: eXXpedition 2016/Agathe Bernard

Gilliams Team und auch "5 Gyres" sind auf den Meeren unterwegs, um genau solche Belastungen zu ermitteln. Ihr 22 Meter langes Segelschiff "Sea Dragon" war auf der Hochsee unterwegs, um Wasserproben zu sammeln, die von der "Global Microplastics Initiative" analysiert werden sollen. Das ist ein Projekt, organisiert von der gemeinnützigen US-Organisation "Adventure Scientist", die Bürgerwissenschaftler bei ihrer Arbeit unterstützt. 

Eines ist sicher, "Mikroplastik ist allgegenwärtig", sagt Katie Holsinger. Sie ist für das Zusammentragen von Daten verantwortlich. Plastik hat viele Ursachen, darunter ungenügendes Deponie-Management, illegales Müllabladen und überforderte Abwassersysteme. Trotzdem ist ein Aspekt der Forschung für Holsinger besonders überraschend. 

"90 Prozent des Wasserproben enthalten Mikrofasern, die aus Kleidungsstücken stammen", sagt sie. Demnach scheinen auch viele der synthetischen Fasern, die uns warm halten sollen, einen Teil zur Meeresverschmutzung beitragen. 

Eine aktuelle Studie, die von der als umweltfreundlich bekannten Bekleidungsfirma "Patagonia Inc." in Auftrag gegeben wurde, kam zu dem Ergebnis, dass eine einzelne Fleecejacke bis zu 250.000 Mikrofasern mit jedem Waschen abgibt. Legt man, wie für diese Studie, 100.000 gewaschene Jacken im Jahr zugrunde, ergibt sich dabei eine Menge von knapp 12.000 Einkaufstüten voll mit Plastik, das in Gewässer gelangt.

Angesichts der Stapel synthetischer Kleidungsstücken, die gereinigt werden müssen, ist es nicht schwer, sich vorzustellen, dass immer neue Mikrofasern ihren Weg in die Gewässer schaffen. Und wenn wir die nicht essen wollen, müssen wir was tun, sagen Wissenschaftler.

"Ich glaube, dass die Menschen beginnen, aufzuwachen", resümiert Gilliam. "Wir müssen das Problem lösen, sonst ersticken die Ozeane."