Kurden drängen IS-Miliz weiter zurück
22. Dezember 2014Große Teile der strategisch wichtigen Stadt Sindschar seien bereits eingenommen worden, sagte Kurdenpräsident Massud Barsani der Nachrichtenagentur Reuters bei einem Besuch des Höhenzuges Sindschar in der Nähe der irakischen Stadt. "Mit Gottes Hilfe werden wir sie ganz befreien." Die Unterstützung der internationalen Koalition gegen die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" zeige demnach große Wirkung. Die US-Streitkräfte flogen nach eigenen Angaben am Sonntag weitere Luftangriffe auf IS-Stellungen.
An den Kämpfen gegen die IS-Terroristen beteiligen sich kurdische Peschmerga-Einheiten, die in der Türkei verbotene PKK und ihre syrische Schwesterorganisation YPG sowie Jesiden. Der IS hatte bei seiner Offensive in den vergangenen Monaten Tausende Mitglieder der religiösen Minderheit getötet oder gefangengenommen.
Extremisten unter Druck
Mit einem Sieg in Sindschar hätten die Kurden die meisten Gebiete zurückerobert, die sie an die Extremisten im Sommer verloren hatten. Es wäre auch wichtiger Schachzug für die Zentralregierung in Bagdad, weil so die Verbindung zwischen Syrien und der vom IS beherrschten Stadt Mossul unterbrochen wäre. Für die Terrormiliz ist die mutmaßliche Rückeroberung von Sindschar einer von mehreren Rückschlägen der letzten Wochen: Mehrere hochrangige IS-Anführer sollen bereits umgekommen sein; die irakische Armee konnte gemeinsam mit den Peschmerga wieder Boden gut machen. Auch das hart umkämpfte Kobane im benachbarten Nordsyrien konnte der IS bislang trotz Überzahl und Einsatz von Panzern nicht erobern. Die Besetzung der Enklave dauert bereits länger als 100 Tage.
In dieser Situation werden immer mehr Islamisten, die aus dem Ausland in ihren Traumstaat geeilt waren, des Kämpfens müde. Doch schon bei der Gründung des" Kalifats" hatte IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani gemahnt: "Wenn ihr den Staat im Stich lasst, dann werdet ihr ihm doch nicht schaden. Ihr werdet nur euch selbst schaden." Offenbar gilt: Ein Gotteskrieger gibt nicht auf, denn wer im Gefecht fällt, dem winkt das Himmelreich. Augenzeugen berichteten der Deutschen Presse-Agentur, wie die Dschihadisten im nordirakischen Mossul am Sonntag 45 Männer aus ihren eigenen Reihen töteten, die sich der Flucht schuldig gemacht hätten.
Auch in Syrien soll die radikale Sunnitenmiliz hart gegen ihre eigenen Mitglieder vorgehen. Zwei in der nordsyrischen Stadt Al-Rakka lebende Aktivisten bestätigten der Deutschen Presse-Agentur, dass in den vergangenen Monaten mindestens 100 ausländische Dschihadisten getötet worden sein. Die Männer, vornehmlich aus Europa, seien kriegsmüde gewesen und hätten in ihre Heimat zurückkehren wollen.
"Ungläubige" werden hingerichtet
Ende Juni hatte der IS den Nachfolgestaat des Reiches des Propheten Mohammed ausgerufen. Innerhalb kurzer Zeit hatten die Dschihadisten in Syrien und im Irak jeweils rund ein Drittel der Fläche erobert. Im Irak rückten sie von Mossul aus in Richtung Bagdad vor, in Syrien breiteten sie sich gen Aleppo aus. Ziel der Terrororganisation ist die Errichtung eines grenzübergreifenden Gottesstaates.
Im "Kalifat" herrschen strenge, mittelalterlich anmutende Regeln. In den eroberten Gebieten müssen Frauen sich verhüllen. Männer werden zum Beten gezwungen, schon für einfache Vergehen wird die Hand abgehackt. Wer sich nicht beugt, wird als "Ungläubiger" hingerichtet und gekreuzigt. Im Internet haben die Dschihadisten zur Abschreckung Fotos von Aufgepflockten verbreitet. Auch Videos barbarischer Enthauptungen werden hochgeladen. Bisher trafen die drakonischen Strafen vor allem Gegner des "Kalifats". In Syrien waren erst vergangene Woche Massengräber mit rund 700 Toten entdeckt worden. Im Irak wurde ein Grab mit Dutzenden getöteter Jesiden entdeckt.
ab/se (dpa, rtr)