1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sicherheitsrisiko Kurnaz?

Marcel Fürstenau9. März 2007

Der ehemalige und der amtierende BND-Chef haben sich am Donnerstag (8.3.07) im Untersuchungsausschuss zum Fall Murat Kurnaz geäußert. Sie verteidigten die Entscheidung zum Einreise-Verbot des Deutsch-Türken.

https://p.dw.com/p/9yie
Murat Kurnaz war mehr als vier Jahre in Guantanamo inhaftiert.
Die Untersuchungen im Fall Murat Kurnaz halten anBild: AP/Radio Bremen

Der im Sommer 2006 nach viereinhalb Jahren Haft im US-Gefangenenlager nach Deutschland zurückgekehrte Türke Murat Kurnaz war aus Sicht deutscher Geheimdienste ein Sicherheitsrisiko. Das sagten am Donnerstag (8.3.07) übereinstimmend der frühere Präsident des Bundesnachrichten-Dienstes (BND), August Hanning, und sein Nachfolger und amtierender BND-Chef Ernst Uhrlau vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags. An ihrer Einschätzung hatte sich auch Anfang 2006 nichts geändert, als sich die inzwischen amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident George Bush aus humanitären Gründen für Kurnaz einsetzte, und zwar erfolgreich.

Hanning hat den Türken Murat Kurnaz für ein Sicherheitsrisiko gehalten und deswegen eine Rückkehr nach Deutschland abgelehnt, die Ende Oktober 2002 möglich erschien. Zu diesem Zeitpunkt war Kurnaz ein knappes Jahr im US-Gefangenlager Guantanamo inhaftiert, aus dem er erst im Sommer vergangenen Jahres freikam.

Unsichere Entscheidungsgrundlage ?

Hannings Entscheidung, die vom Bundesverfassungsschutz und der 2002 regierenden rot-grünen Koalition geteilt wurde, stieß bei den Oppositions-Abgeordneten im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss auf Unverständnis. Max Stadler, Obmann der FDP, sagte, die Entscheidung, eine mögliche Rückkehr von Kurnaz zu verhindern, habe auf äußerst wackeligen Grundlagen beruht "... denn Herr Hanning hat hier zugeben müssen, dass es entlastende Momente für Herrn Kurnaz sehr wohl gegeben hat. Und zwar von seinen eigenen Beamten des BND, die in Guantanamo gewesen sind. Und er hat diese entlastenden Momente nicht für relevant gehalten, weil diese Beamten kein Gesamtbild von Herrn Kurnaz erstellt hätten."

Im Gegensatz zur Opposition konnte der Obmann der Sozialdemokraten, Thomas Oppermann, keine Widersprüche in der Entscheidung des ehemaligen BND-Chefs Hanning erkennen. Der hatte in seiner Vernehmung gesagt, die Berichte der von ihm nach Guantanamo entsandten Mitarbeiter seines Dienstes seien fehlerhaft gewesen. Zwei BND-Männer hatten nach einer Vernehmung von Kurnaz im September 2002 den Türken als ungefährlich eingeschätzt: "Herr Hanning hat klargestellt, dass die Spitze des BND in Murat Kurnaz wegen vieler ungeklärter Fragen und wegen der Umstände der Reise und wegen vieler Zeugen-Aussagen der Polizei als Sicherheitsrisiko eingestuft hat. Dass es gefährlich wäre für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, wenn er zurückkommt. Und deshalb wurde eine Einreise-Sperre verhängt."

Islamistische Kontakte vermutet

BND-Chef Ernst Uhrlau und Staatssekretär des Innenministeriums August Hanning
Ernst Uhrlau und August Hanning verteidigten das Einreiseverbot.Bild: dpa

Hannings Nachfolger im Amt des BND-Präsidenten, Ernst Uhrlau, rechtfertigte die 2002 verhängte Einreise-Sperre für Kurnaz damit, dass es Hinweise dafür gegeben habe, dass er militanten islamistischen Strukturen zuzurechnen sei. Uhrlau war in der rot-grünen Koalition Geheimdienst-Koordinator im Kanzleramt und damit auch schon an der Entscheidungsfindung in der Sache Kurnaz beteiligt.

Aufmerksame Beobachterin der Zeugen-Vernehmung durch den Geheimdienst-Untersuchungsausschuss war die Generalsekretärin der deutschen Sektion der Menschenrechts-Organisation Amnesty International, Barbara Lochbichler. Sie könne nachvollziehen, dass man 2002 unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA im Fall Kurnaz zögerlich gewesen sei: "Aber was wir jetzt lernen ist, dass auch noch 2005, als weltweit Kritik geübt wurde an Guantanamo, an den rechtsfreien Räumen, an der Wiedereinführung der Folter, dass dann noch mal die gleiche falsche Politik wie 2002 fortgesetzt wurde." Das Mindeste, was die Bundesregierung 2002 hätte tun müssen, wäre eine Freilassung Kurnaz' nach Deutschland zu erwirken, um ihn dann gegebenenfalls hier vor ein Gericht zu stellen, sagte Lochbichler.