Kämpfe um Berg-Karabach weiten sich aus
4. Oktober 2020Zugleich gab es aber auch wieder schwere Angriffe auf Stepanakert, die Hauptstadt Berg-Karabachs. Dort brach die Stromversorgung zusammen, zahlreiche Zivilisten mussten in Kellern Zuflucht suchen. Die Stadt war bereits am Freitag unter Beschuss geraten. Daraufhin hatte der Präsident der selbsternannten Republik, Araiyk Harutiunian, angekündigt, im Gegenzug werde militärische Infrastruktur in den großen Städten Aserbaidschans angegriffen.
Nun also der Angriff auf Ganja (Gandscha): Auf Twitter teilte das aserbaidschanische Verteidigungsministerium mit: "Die aserbaidschanische Stadt Ganja steht unter dem Beschuss armenischer Kräfte". Die Stadt liegt im Nordwesten Aserbaidschans und hat rund 330.000 Einwohner. Ein Sprecher der selbsternannten Republik Berg-Karabach sagte, die Kämpfer Berg-Karabachs hätten in Ganja einen Militärflughafen zerstört und fügte hinzu: "Das ist nur der erste."
Die Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach waren vor einer Woche neu entbrannt. Es sind die heftigsten Kämpfe seit 1994. Beide Länder haben den Kriegszustand verhängt und werfen sich gegenseitig Kriegsverbrechen vor. In fast wortgleichen Mitteilungen ihrer Außenministerien bezichtigen sich beide Länder, gezielt die Zivilbevölkerung und Infrastruktur unter Beschuss zu nehmen. Das sei ein Bruch des humanitären Völkerrechts, teilten die Ministerien in Baku und in Eriwan mit. Die Angaben sind schwer zu überprüfen, weil es kaum unabhängige Beobachter in dem Konfliktgebiet gibt.
Merkel fordert erneut Ende der Kämpfe
Der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan telefonierte zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er habe sie dabei über die Beteiligung türkischer Militäroffiziere informiert, hieß es. Merkel forderte nach Angaben einer Regierungssprecherin das sofortige Ende aller Kämpfe. Merkel sei besorgt angesichts der andauernden Gefechte und steigenden Opferzahlen.
Armenien spricht von 2750 Toten auf der gegnerischen Seite. Aserbaidschan hatte ebenfalls von mehr als 2300 Toten gesprochen - auf armenischer Seite.
Türkei und Russland beteiligt
Die ehemaligen Sowjetrepubliken liefern sich seit Jahrzehnten einen erbitterten Streit um die Region im Südkaukasus, die mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach wird international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans.
Russland gilt als Armeniens Schutzmacht und unterhält dort einen Militärstützpunkt. Zugleich pflegt Moskau gute Beziehungen auch zu Aserbaidschan und beliefert es mit Waffen. Das ölreiche Aserbaidschan hat seine Armee in den vergangenen Jahren hochgerüstet und kann auf die Unterstützung der Türkei zählen.
uh/haz (dpa, afp)