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Kölner Katholiken rebellieren gegen Kardinal Woelki

29. Januar 2021

Streit bei der katholischen Kirche in Köln: Dem Kardinal Rainer Maria Woelki gehen die Gläubigen von der Fahne. Sie haben genug vom Umgang mit einem Missbrauchsskandal. Feuer unterm Dach – und Ende offen.

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Köln | Nebel im Scheinwerferlicht löst Großeinsatz am Kölner Dom aus
Rauch oder Nebel? Der Kölner Dom im ZwielichtBild: Arton Krasniqi/Kölner Stadt-Anzeiger/picture alliance

Und dann kam auch noch die Feuerwehr. Am Freitagmorgen kurz nach halb fünf Uhr rasten 30 Feuerwehr-Fahrzeuge aus verschiedenen Wachen der Stadt zum Kölner Dom, dem wichtigsten und ehrwürdigsten Gebäude der Stadt am Rhein. Ein nächtlicher Anrufer hatte von Rauch am Südturm der Kathedrale berichtet. Nach nervösen 45 Minuten meldeten die Wehrleute Entwarnung und verwiesen auf eine optische Täuschung. Nebelschwaden seien um die Türme des Gotteshauses gezogen.

Das Bild passt. Im Kölner Katholizismus herrscht Alarmstimmung. Und der Streit zwischen dem Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, und vielen Gläubigen und auch vielen Priestern des Bistums eskaliert zusehends. Eigentlich gilt Köln als Bastion eines weltoffenen, aber rheinisch-frommen Katholizismus. Das Bistum ist eine der reichsten, wenn nicht die reichste Diözese der Welt. Kirche, Kölsch und Karneval gehören sprichwörtlich zusammen. Und nun? Woche für Woche vermeldet die städtische Verwaltung, bei der man nach deutscher Rechtslage formell seinen Austritt aus der Kirche anzeigen muss, neue und längere Wartefristen für einen Termin. Und immer höhere Zahlen an Kirchenaustritten.

Null Toleranz und viel Kritik

Beim Kirchenstreit von Köln geht es um das Thema Missbrauch, das seit gut zehn Jahren den deutschen Katholizismus wieder und wieder erschüttert. Kardinal Woelki hatte 2018 bei einer angesehenen Münchner Kanzlei ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Umgang des Erzbistums mit sexuellem Missbrauch durch Kleriker schonungslos aufarbeiten und bei Missständen Namen benennen sollte. Woelki sah sich als strikter Aufklärer – ganz im Sinne von Papst Franziskus, der gerne von "null Toleranz" spricht. Doch seit einem Jahr löst der Kardinal alle paar Wochen Irritationen oder gar Empörung aus. Zuerst stoppte er das Münchner Gutachten kurz vor Veröffentlichung und gab bei einer anderen Kanzlei eine neue Untersuchung in Auftrag.

Deutschland | Kardinal Rainer Maria Woelk bei Christmette im Dom in Köln
Nebelkerzen im Missbrauchsskandal? Kardinal Rainer Maria Woelki steht in der KritikBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Dann kam raus, dass er als Bischof einen alten, mittlerweile verstorbenen Geistlichen, mit dem er lange befreundet war, trotz eines Missbrauchsfalls nicht angezeigt hatte. Geistliche des Bistums, die von ihrem Erzbischof Klärung erbaten, blieben unerhört. Und immer wieder machte Woelki, dessen Medienabteilung von personellen Wechseln geprägt ist, die bösen Medien für die Missstimmung im Bistum verantwortlich. Die deutliche Kritik an Woelki, an die man sich fast schon gewöhnt hatte, wurde zum Ende dieser Woche noch schärfer. Mit zwei mehr als symbolischen Schritten, die man sich beim Erzbistum Köln bislang kaum hätte vorstellen können.

"In der Bistumsgeschichte einmalig"

So kündigte die offizielle Basis im Erzbistum, der Diözesanrat, dem Bischof und der Bistumsleitung die weitere Zusammenarbeit beim wichtigsten Reformprojekt Woelkis auf. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtete, entschloss sich die Vollversammlung mit ihren Vertretern aus Pfarrgemeinden und katholischen Verbänden dazu, da "aufgrund der ungeklärten Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln keine hinreichende Akzeptanz vorhanden sei". "Diese Aktion dürfte in der Bistumsgeschichte einmalig sein", erläutert die Zeitung. Und das Gremium appellierte an die Bistumsspitze: "Übernehmen Sie Verantwortung, und verzögern Sie die Entscheidung darüber nicht länger auf die Klärung juristischer Fragestellungen nach Aktenlage." Die  Menschen im Erzbistum erwarteten "endlich Klartext und konkrete Schritte der Verantwortung".

Kölner Kardinal Woelki unter Druck

Und einige Stunden vorher hatten – was ähnlichen Seltenheitswert hat – zwei Gruppen von Priestern ihrem Bischof offene Briefe geschrieben. Darin beklagten insgesamt mehr als 50 Seelsorger die "misslingende Missbrauchsaufarbeitung" des Erzbistums und den Glaubwürdigkeitsverlust von Kirche. Wörtlich ist von einer "sich ausbreitenden Atmosphäre des Misstrauens, der Verdächtigung und des resignativen Rückzugs" die Rede. Das deckt sich mit den hohen Zahlen an Kirchenaustritten.

"Verheerend"

Ungewöhnlich ist, dass sich auch andere deutsche Bischöfe ziemlich deutlich zu den Kölner Wirren äußern. Bislang galt immer der Grundgedanke, dass sich ein Oberhirte nicht in die Zuständigkeiten und Probleme eines anderen einmischt. Aber nun spürt man die Sorge, dass aus dem Kölner Feuer der Unzufriedenheit ein Flächenbrand werden könnte. Schon im Dezember sprach der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, von einem "Desaster" bei der Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln. Und der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte den Kurs Woelkis als "verheerend für alle" bewertet.

Christian Weisner
Sorgt sich um die katholische Kirche nicht nur in Köln: Christian WeisnerBild: picture-alliance/dpa

Als an diesem Freitag in Berlin das dortige Erzbistum eine Studie zum Umgang mit Missbrauch durch Kleriker in den Jahren von 1946 bis 2020 vorstellte, ging es auch um die Jahre 2011 bis 2014, in denen Woelki Erzbischof an der Spree war. Anders als von seinem Vorgänger, Kardinal Georg Sterzinsky, fanden die beiden Gutachter, die die 669 Seiten umfassende Studie erstellten, von Erzbischof Woelki keine handschriftlichen Aktenvermerke über persönliche Gespräche mit Beschuldigten in den Akten. Und mit Blick auf den Umgang mit einem beschuldigten Priester formulierte der Jurist Peter-Andreas Brand von der Kanzlei "Redeker Sellner Dahs" seinen "Eindruck, dass das nicht nachvollziehbar ist".

"Schnell handeln"

Für den Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, steht der seit Monaten andauernde Streit für einen tiefer liegenden Konflikt. "Da stoßen Kirchenbilder aufeinander", sagt er der DW. "Woelki klammert sich an ein altes Kirchenbild mit Mitra und Bischofsstab. Damit ist er in seiner Kirche isoliert." Und auch Weisner sieht die deutschlandweite Dimension des Konflikts: "Wenn ein Bistum der Glaubwürdigkeit schadet, drückt das das Ansehen der gesamten Kirche in Deutschland in die Miesen." Für den "Wir sind Kirche"-Sprecher gibt es nur einen Weg, konsequentes, schnelles Handeln. Jeder Tag mit weiterer Unklarheit bei der Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln sei "einer zu viel".