Kölsch am Potomac
20. Januar 2004Wim Wenders ist in den USA kein Unbekannter. Der deutsche Filmregisseur hat lange in Hollywood gearbeitet und sein Film "Paris-Texas" war auch in Amerika ein relativer Kinoerfolg. Also hatten sich tatsächlich einige amerikanische Cineasten in das kleine Programmkino in Washington begeben, in dem das Goethe-Institut den BAP-Film im Rahmen eines deutschsprachigen Kinofestivals vorführte. Der Film beginnt mit einer Reminiszenz an die Befreiung Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg durch amerikanische Soldaten und endet mit einer persönlichen Hommage Niedeckens an New York, die im BAP-Song in der erstaunlichen Erkenntnis gipfelt, dass Köln-Longerich nicht Manhattan sei.
Noch eine Menge Arbeit
Das mochten auch die anwesenden Zuschauer bei der anschließenden Talkrunde mit dem sympathischen Kölsch-Rocker nicht in Frage stellen, dafür wurde sich frisch-frech erkundigt, wer denn der "weird guy", der komische Typ gewesen sei, mit dem Niedecken sich am Anfang des Films unterhalten habe. Dass es sich um den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll handelte, hätte man als ein deutliches Indiz dafür werten können, dass die Goethe-Leute in Amerika noch eine Menge Arbeit vor sich haben. Leider sprach die Fragestellerin mit unverkennbar deutschem Akzent.
Was insofern für die Nation der "Dichter und Denker" spricht, als man im globalen Zeitalter offenbar auch noch im Ausland nachholen kann, was deutsche Schulen ganz offensichtlich versäumt haben. Wozu gibt es schließlich steuerfinanzierte Goethe-Institute im Ausland? Der Star des Abends, Wolfgang Niedecken hatte im übrigen ausreichend Gelegenheit, sich mit dem Charakter seiner Landsleute zu beschäftigen. Mit sicherem Gespür dafür, dass im Publikum vor allem die deutsche Diaspora von Washington saß, bat er um Handzeichen wer im Saale deutsch spricht.
Heikle Klippe geschickt umschifft
Schließlich muss der Kölsch-Rocker nach eigenem Bekunden seine Mundart-Gedanken schon ins Hochdeutsche übersetzen und dann noch eine weitere Fremdsprache? Aber die meisten Hände blieben unten. Als Deutscher im Ausland ist man schließlich Weltbürger, und außerdem war jeder neugierig, ob Niedecken genauso gut Englisch spricht wie er Kölsch singt. Die Probe kam sogleich: Wieder fragte ein Deutscher (auf Englisch), was er, Niedecken, denn vom "Transatlantic Rift" halte? Gemeint waren die aktuellen transatlantischen Politikquerelen. Jetzt kam Niedecken der Moderator zur Hilfe. "Transatlantic Rift", von der Gruppe habe man noch nie gehört, womit die heiklen Klippen des deutsch-amerikanischen Beziehungsgeflechts mal wieder geschickt umschifft waren.
Blieb noch die Frage, wann BAP, die schon vor 18.000 Zuschauern in der Volksrepublik China gespielt haben, das erste Mal in Amerika auftreten würden. Hier blickte Niedecken dann doch etwas verschämt zu Boden und murmelte etwas von fehlenden Sponsoren. Seinen Appell an die "Becks"-Brauer jedoch hätte er sich besser verkniffen. Wenn das die Kölsch-Brauer Zuhause wüssten!