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König der Lüfte

Andreas Noll/Claus Hecking30. Juni 2003

Mit dem A 380 baut Airbus in der Nähe von Hamburg das größte Passagierflugzeug der Welt. Doch das Prestigeprojekt stößt bei Anwohnern und Umweltschützern auf erbitterten Widerstand.

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Abgehoben: Der A 380 über den Wolken

Das Mühlenberger Loch ist nicht mehr wiederzuerkennen. Der Wind bläst Sand über die 140 Hektar große Dünenlandschaft, die noch vor zwei Jahren zum größten Süßwasserwatt Deutschlands gehörte. Wo früher die Möwen kreisten, ragen heute Baukräne in den Himmel. Hier, in Finkenwerder bei Hamburg, nimmt Deutschlands ehrgeizigstes Industrieprojekt konkrete Formen an: 228 Meter lang, 120 Meter breit und 26 Meter hoch ist die erste von rund einem Dutzend Fertigungshallen für den neuen Super-Airbus 380, der Kanzler hat sie höchstpersönlich eröffnet. Die Chancen stehen gut, dass Gerhard Schröder bald wiederkommt: Spätestens 2005 soll der A 380 zu seinem Jungfernflug abheben – und ein neues Zeitalter im zivilen Luftverkehr eröffnen.

11,7 Milliarden Euro für ein Flugzeug

555 Passagiere sollen in das mit 73 Metern Länge und 80 Metern Spannweite bislang größte Verkehrsflugzeug einsteigen – und sich über den Wolken so gut amüsieren wie nie zuvor: Auf zwei Etagen sollen Fitnessräume, Internet für alle, eine Lounge für VIPs und sogar ein Kasino den Flug über dem Atlantik angenehm gestalten. Allein für die Entwicklung dieses „Königs der Lüfte“ gibt Airbus nach eigenen Angaben 11,7 Milliarden Euro aus. Diese Investition könnte sich lohnen: 260 Millionen Euro müssen die Airlines für jeden A 380 bezahlen – und trotz der Lungenkrankheit SARS in Asien und den Anschlägen vom 11. September 2001 liegen Airbus bereits 129 Bestellungen vor. Angesichts dieser Ziffern droht die Konkurrenz aus Amerika ins Hintertreffen zu geraten - denn Boeing hat ein vergleichbares Flugzeug nicht zu bieten. „Der A 380 wird das Flagschiff des 21. Jahrhunderts sein“, verkündet Airbus-Pressesprecher Theodor Benien.

Die "Lex Airbus"

Doch vorher müssen einige Hürden genommen werden. So liegt die dringend notwendige Verlängerung der hauseigenen Start- und Landebahn zurzeit auf Eis, da sich einige Anwohner ein Sperrgrundstück gesichert haben und den Bau der Piste blockieren. Den Hamburger Senat bewog dies dazu, eine Initiative zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes in den Bundesrat einzubringen: Zukünftig sollen die Bundesländer widerborstige Bürger auch zugunsten von Privatflughäfen wie in Finkenwerder enteignen dürfen. Schröder hat seine Zustimmung zu einer solchen „Lex Airbus“ bereits erkennen lassen, noch vor der Sommerpause soll die Initiative in den Bundestag eingehen.

Bankrotterklärung der Politik?

Anwohner und Umweltschützer sind empört: „Hamburg und der Kanzler versuchen, das Gesetz für ein einziges Unternehmen zu ändern“, sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer der Umweltorganisation BUND Hamburg. „Das ist eine Bankrotterklärung der Politik.“ In der Tat scheint die Kooperation der Volksvertreter mit Airbus reibungslos zu funktionieren. Mit über 660 Millionen Euro hat die Stadt Hamburg dem Unternehmen bei der Zuschüttung des Mühlenberger Lochs unter die Arme gegriffen. Hinzu kommen Kredite und Bürgschaften der öffentlichen Hand.

Anschubfinanzierung wie für die Steinkohle

Doch das Wort Subventionen meidet Airbus wie der Teufel das Weihwasser. „Übliche Anschubfinanzierung“ und „Bereitstellung von Gewerbeflächen“ nennt Benien von Airbus die staatlichen Hilfen – und wird nicht müde zu betonen, dass im Gegenzug 2000 Arbeitsplätze entstünden. Das klingt gut. Allerdings nur beim ersten Hinhören. Denn rechnet man die 660 Millionen Euro um, beträgt die staatliche Förderung pro Arbeitsplatz stolze 330.000 Euro. Addiert man weitere 2000 Stellen bei den Zulieferern hinzu, sind es noch 165.000 Euro pro neuem Job – doppelt so viel wie pro Arbeitsplatz und Jahr in der Steinkohleindustrie.

Im Gegensatz zum Bergbau betrachten sich die Flugzeugbauer jedoch als Zukunftsbranche. Fünf Prozent Jahreswachstum prognostizieren die Airbus-Verantwortlichen für die kommende Dekade – und hoffen, so mit dem A 380 bald die Gewinnzone zu erreichen. „Unsere Gewinnschwelle liegt bei 250 verkauften Flugzeugen“, sagt Benien. Sollte Airbus tatsächlich dieses ehrgeizige Ziel erreichen, würde der A 380 den Boeing-Jumbo vom Platz an der Sonne verdrängen. Mit den Möwen vom Mühlenberger Loch ist das dem Riesenvogel schon jetzt gelungen. Doch ob er dauerhaft in Finkenwerder heimisch wird, bleibt abzuwarten.