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Körner: "EU-Beitritt positiv für Kroatiens Wirtschaft"

Andrea Jung-Grimm27. Juni 2013

Kroatien steckt mitten in der Rezession, die EU kämpft gegen die Krise: Welche Chancen die kroatische Wirtschaft nach dem EU-Beitritt trotzdem hat, erklärt Kevin Körner, Südosteuropa-Experte der Deutschen Bank.

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Porträt von Kevin Körner von der Researchabteilung der Deutschen Bank (Foto:
Bild: Martin Joppen

DW: Kroatien hat seit Beginn der Finanzkrise in keinem einzigen Jahr ein positives Wachstum verzeichnet. Woher kommt diese lange anhaltende Rezession?

Kevin Körner: Die Faktoren sind unterschiedlich. In Kroatien ist die Inlandsnachfrage gesunken, sowohl was die Nachfragekomponente privater Haushalte betrifft, als auch die des Staates. Der Privatkonsum ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit stark gestiegen, Investitionen stark zurückgegangen. Dabei spielen auch externe Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die anhaltende Wirtschaftsschwäche der wichtigsten Handelspartner Kroatiens.

Dass Kroatien so stark von dieser Krise getroffen wird, ist natürlich nicht nur dadurch zu erklären. Wichtig sind auch die strukturellen Probleme - zum Beispiel die mangelnde Flexibilität des Arbeitsmarkts.

Wie schätzen Sie die Lage des kroatischen Bankensektors ein?

Insgesamt ist der Bankensektor in Kroatien relativ gut aufgestellt, wenn man sich anschaut, wieviel Eigenkapital eine Bank relativ zu der Anlageseite ihrer Bankbilanz hat. Negativ ist, dass in Folge der Wirtschaftskrise die Zahl der Kredite, die möglicherweise ausfallen könnten oder bereits ausgefallen sind, relativ hoch ist: Sie liegt bei etwa 14 Prozent aller Kredite.

Das Rating Kroatiens ist schlecht, das Land ist stark verschuldet. Was kann die Regierung Ihrer Meinung nach unternehmen, um die Lage zu verbessern?

Die Staatsverschuldung liegt in Kroatien bei etwa 60 Prozent des BIP - das ist auch die Maastricht-Grenze, die in der Währungsunion als Obergrenze festgelegt wird. Es gibt auch für verschiedene Länder unterschiedliche Schuldenniveaus, die man als tragfähig erachtet. Allgemein geht man davon aus, dass schwächer entwickelte Länder einen niedrigeren Schuldenstand haben sollten als Industrieländer. Beim IWF geht man davon aus, daß dieser Wert bei ungefähr 40 Prozent des BIP liegen sollte - da wäre Kroatien mit 60 Prozent bereits deutlich drüber.

Beim Thema Neuverschuldung hat Kroatien schon einiges verbessert: 2010 und 2011 lag die Neuverschuldung bei über fünf Prozent des BIP, 2012 hat man es geschafft, sie leicht zu senken und dieses Jahr gehen wir davon aus, dass sie noch weiter gesenkt wird, auf etwa 3,5 Prozent. Das ist ein Teil der staatlichen Anstrengungen, den Haushalt zu konsolidieren. In Krisenzeiten ist das aber immer eine problematische Maßnahme, weil man durch einen Rückgang der Staatsinvestitionen beziehungsweise des Staatskonsums auch das Wirtschaftswachstum negativ beeinflusst.

Ansicht der Einkaufsstraße Ilica in Zagreb mit Passanten, Autos und Straßenbahnen (Foto: Marijan Murat)
Einkaufsstraße in ZagrebBild: picture-alliance/dpa

Welche Strukturreformen wären Ihrer Meinung nach nötig?

Der Arbeitsmarkt sollte stärker geöffnet werden. Der öffentliche Sektor in Kroatien ist sehr groß - der Staat ist der größte Arbeitgeber. Es wurde angekündigt, dass in nächster Zeit bereits Staatsangestellte entlassen werden sollen. Es müssen auch Lohnanpassungen nach unten möglich sein, wenn sich Kroatien im Vergleich zu anderen Ländern in der Region als "zu teuer" herausstellt. Auch ein Anheben des Renteneintrittsalters ist nötig. Das sind sehr sensible Themen, da bekommt man es als Politiker sehr schnell mit dem Unmut der Bevölkerung zu tun.

Was ändert sich für die kroatische Wirtschaft nach dem 1. Juli 2013?

Man geht allgemein davon aus, dass sich der EU-Beitritt positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken wird. Nach dem Beitritt muss sich Kroatien an die europäischen Vorgaben halten - das fördert das Vertrauen von Investoren. Mittelfristig geht man davon aus, dass der Beitritt einen positiven Effekt auf die Investitionen haben sollte. Der Investitionsfluss ist für ein Land wie Kroatien ausgesprochen wichtig: Ausländische Direktinvestitionen sind sehr stabile Geldflüsse, die der Wirtschaft förderlich sind.

Kevin Körner ist Analyst in der Research-Abteilung der Deutschen Bank. Dort ist er für Südosteuropa zuständig.