Berühmt oder arm?
5. November 2012"Wenn man berühmt ist, hat man kein Problem. Die meisten meiner Bekannten, die auch als Künstler arbeiten, überleben aber so gerade damit. Auch bei mir reicht es nur für ein bescheidenes Leben", sagt Jürgen Feneberg. Er ist Künstler in Berlin mit eigenem Atelier im Stadtteil Kreuzberg. Einer von vielen in Deutschland - nicht nur in der Hauptstadt. Feneberg malt, erschafft Skulpturen und hat einen Kreis von Stammkunden. Seit Ende der 1980er Jahre mit dem Umzug aus dem süddeutschen Allgäu nach Berlin ist die Kunst sein Beruf.
Auch Musiker, Schauspieler oder Autoren sind in Deutschland meistens freischaffende Künstler. Wie viele es sind, ist schwer zu sagen, jeder kann sich diese Berufsbezeichnung geben. Die meisten Künstler arbeiten selbständig und leben von ihren Werken und deren Verkauf. Oft jedoch mehr schlecht als recht. Für die Altersvorsorge bleibt meist nicht genug übrig. Die gut verdienenden Kunststars sind die seltene Ausnahme.
Meist fehlt das Geld, um etwas für später zurück zu legen
Laut Künstlersozialkasse (KSK) in Wilhelmshaven, bei der sich freischaffende Künstler sozialversichern müssen, lag das durchschnittliche Jahreseinkommen aller Versicherten aus den Bereichen Wort, bildende und darstellende Kunst sowie Musik 2011 bei rund 14.000 Euro. Das sind weniger als 1200 Euro Brutto im Monat - ohne dass schon Abgaben gezahlt wurden. Über die KSK zahlen die versicherten Künstler ihren Anteil an der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Die andere Hälfte übernimmt unter anderem der Bund - ähnlich wie bei festangestellten Arbeitnehmern der Arbeitgeber. Ein monatliches Einkommen von knapp 1200 Euro liegt in Deutschland nahe der Armutsgrenze von rund 1000 Euro. Die Beiträge zur staatlichen Rentenversicherung sind abhängig vom Einkommen und niedrige Einzahlungen bedeuten später eine geringe Rente. Diese können Künstler durch einen zusätzlichen privaten Vorsorgevertrag aufstocken, und den hat auch Feneberg: "Der Betrag ist aber auch gering. Würde genug Geld reinkommen, würde ich das für später zur Seite legen. Doch davon hängt es eben ab."
Schwankende und unregelmäßige Einkommen
"Künstlerische Einkommen sind monatlich stark schwankend. Autoren, Schauspieler oder bildende Künstler verdienen ihr Geld sehr unregelmäßig", sagt Veronika Mirschel. Sie leitet das Referat Freie und Selbständige in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, und kennt sich mit Solo-Unternehmern wie Künstlern aus. "Insgesamt geht es Künstlern in Deutschland nicht gut", so die Gewerkschafterin. Nebenjobs seien für viele keine Seltenheit. "Wenn es gut läuft, kann man das eine mit dem anderen zumindest etwas verbinden", sagt Mirschel. "Dann gestaltet der bildende Künstler zusätzlich Internetauftritte für Firmen, Schauspieler verdienen als Synchronsprecher etwas dazu."
Auch unter Fenebergs künstlerischen Freunden sei es "nicht unnormal, einen Nebenjob zu haben." Er verdient noch dazu, weil er seine Kunstwerke an Unternehmen verleiht. Außerdem organisiert Feneberg seit April 2012 mit einem Geschäftspartner zusammen Fetisch-Partys in Berlin. Für sein Leben im Alter hat der 48-Jährige einige Ideen wie eine Alten-Wohngemeinschaft. "Konkrete Pläne gibt es aber nicht", sagt Feneberg, der seit fast 25 Jahren sein Geld mit seiner Kunst verdient. "Unter meinen künstlerischen Bekannten machen sich aber alle ihre Gedanken."
"Ich habe mir angewöhnt, in der Gegenwart zu leben"
Es gibt manchen berühmten Künstler in Deutschland, der selbst in hohem Alter weitermacht, so wie die Maler Gerhard Richter und Markus Lüpertz, der Schauspieler Mario Adorf oder die Autorin Monika Maron. "Die meisten Künstler arbeiten aus ihrem beruflichen Selbstverständnis heraus über das Rentenalter hinaus weiter. Nicht nur wegen des Geldes", sagt Mirschel von ver.di. Dass das Künstlerdasein oft einen anderen Verlauf hat als das Leben anderer Menschen, weiß auch Jürgen Feneberg. "Ich bin nicht naiv, was das Altwerden angeht. Aber ich habe mir angewöhnt, in der Gegenwart zu leben."