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Küstenstreifen sorgt für Konflikte

Philipp Sandner31. März 2013

Erneut ist es in Kenias Küstenregion zu blutigen Konflikten gekommen. Unter Verdacht: die Unabhängigkeitsbewegung MRC. Ihre Forderungen haben eine lange Geschichte.

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Polizisten nähern sich der Polizeistation in Malindi, Kenia, nach einem Überfall, bei dem acht Menschen ums Leben kamen Foto: Joseph Okanga
Bild: Reuters

Als die Kenianer am 4. März 2013 zu den Urnen gingen, hielt die Welt besorgt den Atem an. Die Angst war groß, dass es erneut zu einem Gewaltausbruch kommen könnte, wie nach den Wahlen 2007. Doch große Zusammenstöße blieben bis jetzt aus. Den bislang schwerwiegendsten Zwischenfall gab es am Wahltag selbst in der Küstenprovinz im Osten des Landes: In der Nacht kamen 15 Menschen ums Leben - bei Überfällen auf Wahlhelfer und Polizisten in Mombasa und Kilifi.

Dahinter, so hieß es, stecke die Separatistenbewegung "Republikanischer Rat von Mombasa" (MRC). Unter dem Leitspruch "Pwani si Kenya - die Küste ist nicht Kenia" fordert sie die Unabhängigkeit der Küstenprovinz vom Rest des ostafrikanischen Landes. Im Vorfeld der Wahlen hatten MRC-Mitglieder zum Boykott aufgerufen und gedroht, sie zu sabotieren.

Jetzt, dreieinhalb Wochen später, ein neuer Vorfall: Wie die Polizei meldet, versuchten bewaffnete Angreifer am frühen Donnerstagmorgen (28.03.2013), in ein Kasino in der Küstenstadt Malindi einzudringen. Es gab acht Tote: zwei Polizisten, sechs aufseiten der Angreifer. Einige wurden verhaftet. Erneut führt die Spur zum Republikanischen Rat von Mombasa: "Die Angreifer hatten MRC-Mitgliedsausweise bei sich", sagt Aggrey Adoli, der Polizeichef in Kenias Küstenprovinz, auf Anfrage der Deutschen Welle.

Forderung nach einem eigenen Staat

Doch die Beweislage ist bei Weitem nicht so klar. Der MRC hat sich bis jetzt nicht zu dem Angriff auf das Kasino in Malindi bekannt. Und die Anschläge am Wahlmorgen streitet die Separatistengruppe ab: Man wolle den Wandel mit friedlichen Mitteln erreichen, sagte der Sprecher der Vereinigung. Menschen, die sich zum MRC bekennen, müssten nicht unbedingt die Ansichten der Führung vertreten, betont Emmanuel Kisiangani vom Institute for Security Studies in Nairobi. "Es ist wie mit den Al-Shabaab-Milizen in Somalia", sagte er der Deutschen Welle. "Die Führer haben einen bestimmten Standpunkt, und dann gibt es Jugendliche, die sich mit ihnen identifizieren und etwas anderes machen - ohne Zustimmung von oben."

Das oberste Ziel der Bewegung bleibt indes unbestritten: die Abspaltung der Küstenregion und die Gründung eines eigenen Staates. Entstanden ist der MRC in den 1990er Jahren. Doch die Ursprünge des Streits um die politische Vorherrschaft im vorwiegend muslimisch bevölkerten Küstenstreifen reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Damals übertrug das Sultanat von Sansibar die Nutzungsrechte für einen zehn Meilen breiten Streifen entlang der ostafrikanischen Küste auf die "Imperial British East Africa Company", einen Wegbereiter der britischen Kolonialverwaltung in Kenia.

Ein Bewohner von Kibera hält vor flammendem Hintergrund ein Schild mit der Aufschrift: "No Raila - No Peace", Nairobi, Kenia 2007 Foto: Yasuyoshi Chiba (AFP)
Gewaltausbruch in Kibara: Unruhen erschütterten Kenia nach den Wahlen 2007Bild: Getty Images


Die lange Geschichte eines Konflikts

Als Kenia 1963 seine Unabhängigkeit erlangte, entbrannte erneut eine Diskussion um den Landbesitz entlang der Küste. Als die britischen Kolonialherren das Feld räumten, beanspruchte Kenias neue Regierung den Küstenstreifen kurzerhand für sich. Als das Land schließlich in Privatbesitz überging, bediente sich die Macht habende Elite. Bewohner fühlten sich übergangen. Auf dieses Fundament baut nun der MRC und verlangt die Unabhängigkeit - mit dem Argument, dass eigene Verwaltungsstrukturen vorhanden seien und eine Abhängigkeit vom kenianischen Staat daher nicht gerechtfertigt sei.

Doch Sezessionsbestrebungen sind nicht im Einklang mit Kenias neuer Verfassung. So ist es zu erklären, dass 2010 die Regierung den MRC zu einer kriminellen Organisation erklärte - ein Status, den Kenias Hohes Gericht allerdings zwei Jahre später wieder aufhob. Das Gericht berief sich dabei auf die Versammlungsfreiheit, die ebenfalls in der Verfassung verankert ist.

"Sie hatten diese Macht"

Als jetzt die Wahlen in Kenia näher rückten, bekam der MRC deutlichen Zulauf. "Die Nachricht machte die Runde, dass mächtige Politiker die Vereinigung unterstützten und Gelder zur Verfügung stellten, damit junge Leute aktiv werden konnten", berichtet der Analyst Emmanuel Kisiangano. Gefragt, ob der MRC in der Lage gewesen wäre, die Anschläge durchzuführen, sagte er: "Sie hatten diese Macht." Inzwischen gebe es auch Gerüchte, der MRC erhalte Unterstützung aus dem Ausland - doch diese, so Kisiangani im Gespräch mit der DW, seien bisher unbestätigt.

Im Mittelpunkt der Bewegung steht eben jene Frage des Landbesitzes. Mit Präsidentschaftskandidat Uhuru Kenyatta gab es bei den Wahlen auch ein klares Feindbild: das des superreichen Großgrundbesitzers, Sohn von Staatsgründer Jomo Kenyatta, den es zu besiegen galt. Doch der MRC stand nicht zur Wahl. Am Wahltag konnte in der Küstenprovinz deshalb besonders das Bündnis von Raila Odinga punkten: Auch er hatte Kenyattas Besitztümer zum Politikum gemacht.

Polizeichef Aggrey Adoli vertraut indes darauf, dass das neue politische Machtgefüge Fakten schaffen könne, die die Rufe nach Unabhängigkeit verstummen lassen würden: Zum ersten Mal konnten Kenianer im März 2013 auch Senatoren und Gouverneure für die Provinzen wählen. "Die neue Regierung wird die Anliegen der Küstenbewohner gut vertreten", sagt Adoli. "Auch wirtschaftlich wird es ihnen besser gehen."

Menschenschlange vor Wahllokal in Nairobi Foto: Julia Sestier (Reusters)
Menschenschlange vor einem Wahllokal: Hohe Beteiligung trotz MRC-BoykottaufrufBild: Reuters
Polizeichef Aggrey Adoli spricht mit Bewohnern in Malindi Foto: Alphonce Gari (EPA)
Polizeichef Adoli: "Kein Grund zur Beunruhigung"Bild: picture-alliance/dpa