Lachmann: "Kein Recht, Artensterben zuzulassen"
10. November 2014DW: 31 Tierarten sollen besser geschützt werden. Das beschlossen die 120 Vertragsstaaten der Konvention zur Erhaltung wandernder, wildlebender Tierarten (CMS) in Ecuadors Hauptstadt Quito. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bezeichnete die Ergebnisse als gutes Signal. Das klingt hoffnungsvoll, oder?
Lars Lachmann: Auch der NABU ist der Meinung, es sind gute Signale. Es ist wichtig, dass neue Arten als schützenswert in Anhang I aufgenommen wurden. Jedes Unterzeichnerland verpflichtet sich dazu, auf nationaler Ebene sofort Maßnahmen zum Schutz dieser Arten zu ergreifen. Andere Arten wurden zusätzlich in Anhang II aufgenommen. Hiermit verpflichten sich die Vertragsstaaten, gemeinsame Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Arten zu erarbeiten und umzusetzen.
Die wandernden Tierarten sind Opfer von Jagd, Wilderei, Überfischung, Vergiftung, Klimawandel. CMS-Generalsekretär Bradnee Chambers sagte, diese Arten zu schützen sei nicht nur für die Tiere selbst wichtig, sondern auch für den allgemeinen Umweltschutz entscheidend. Wie ist das zu verstehen?
Zum Umweltschutz gehört auch der Naturschutz. Dazu gehört wiederum der Schutz der Biodiversität, die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten. Wir müssen Tiere und Pflanzen um ihrer selbst schützen, weil wir kein Recht haben, ihr Aussterben zuzulassen. Außerdem haben die Arten eine Funktion im Ökosystem als Schadstoffverzehrer oder wichtige Elemente der Nahrungskette. Nicht zuletzt ist es für den Menschen wichtig, dass es überhaupt Natur gibt zum Angucken und Abschalten.
Immerhin 21 Hai-, Rochen- und Sägefischarten kommen auf die Liste der bedrohten Tierarten. Was bedeutet das für diese Gruppe?
Haie sind vor allem wegen ihrer Flossen bedroht. Haifischflossensuppe gilt in Ostasien als Statussymbol. Deshalb wird Haien die Finne abgeschnitten. Die Fische werden blutend ins Meer zurückgeworfen, wo sie verenden. Das ist ein unmittelbar menschgemachtes Problem. Jedes Land muss dafür sorgen, dass so etwas in Zukunft verboten wird.
Aber ausgerechnet China, Japan und auch Russland gehören der CMS gar nicht an. Werden sich diese großen Fischereiländer an Beschlüsse wie Fangverbote halten?
Man kann auf diese Länder Druck ausüben, indem man auf die Beschlüsse verweist, die der Rest der Weltgemeinschaft gefasst hat. Island und Japan bekommen das regelmäßig wegen ihres Walfangs durch Protestaktionen zu spüren. Walfang wird international größtenteils geächtet.
Für Mantas und Teufelsrochen wurde ein absolutes Fangverbot erlassen. Wer wird die Einhaltung der Verbote künftig kontrollieren?
Das ist ein Kernproblem. Es gibt keinen Sanktionsmechanismus. Auf der Konferenz in Quito hat sich die EU - mit Hinweis auf die Haushaltslage in einigen von der Finanzkrise betroffenen Staaten - dagegen ausgesprochen. Immerhin muss ein Staat bereits heute alle drei Jahre einen Bericht abliefern zur Umsetzung der Beschlüsse. Und es ist internationaler Konsens, dass man sich an Resolutionen hält. Es ist ein Prozess, aber die Lage ist wesentlich besser als wenn es diese Beschlüsse nicht gäbe. Es bedarf dann solcher Organisationen wie dem NABU, die darauf achten, dass die eigene Regierung solche Konventionen umsetzt.
Der Eisbär ist bedroht, weil die durch den Klimawandel verursachte Eisschmelze den Lebensraum des weltgrößten Raubtieres stark einschränkt. Arktis-Anrainerstaaten hatten den Eisbären bereits als schützenswert anerkannt. Was ändert sich mit der Anerkennung durch die CMS-Staaten?
Der Eisbär ist auf Anhang II gelandet. Nun soll ein internationaler Aktionsplan zu dessen Schutz erarbeitet werden. Das Schießen von Eisbären wird dadurch allerdings noch nicht unmittelbar verboten. Kanada wäre sicherlich dagegen, obwohl es derzeit nicht zu den CMS-Vertragsstaaten gehört, sondern zu den Beobachterstaaten.
Welche Zugvögel haben den Status "schützenswert" erhalten?
Für uns in Europa ist die Blauracke relevant. Ein Vogel, der auf unserem Kontinent brütet und in der Savanne Afrikas überwintert. Seit 30 Jahren ist er in Deutschland ausgestorben, vermutlich auch wegen der Gefahren auf dem Zug, auf Grund der verstärkten Landnutzung und Dürren am Horn von Afrika. Wirklich wichtig und vor allem unmittelbar greifbar sind vor allem zwei Beschlüsse: Es wurde eine Resolution verabschiedet zur Vermeidung der Vergiftung von ziehenden Vögeln. Darin enthalten ist die Aufforderung, Bleigeschosse bei der Jagd bis 2017 zu verbieten. Bleivergiftungen sind in Deutschland die häufigste Todesursache bei erwachsenen Seeadlern. Sie fressen Aas von angeschossenen Rehen oder Gänsen und sterben an Bleivergiftung. Die Population des kalifornischen Kondors ist so geschrumpft, dass man die wenigen Vögel alle drei Jahre einfängt, um sie einer Blutwäsche zu unterziehen, um das Blei aus dem Blut zu entfernen. Die in Quito anwesenden Jagdverbände haben die Beschlüsse erfreulicherweise mitgetragen. Und auch der medizinische Wirkstoff Diclofenac soll in der weltweiten Tiermedizin verboten werden. Das rettet Geier und Adler, die sich von Aas ernähren und dann an Vergiftung sterben.
Welche Maßnahmen will Deutschland ergreifen?
Die Bundesregierung muss nun die Beschlüsse zu Hause umsetzen. Dazu gehört ein verbesserter Kampf gegen die anhaltende illegale Verfolgung von Greifvögeln und die Umsetzung des Verbots bleihaltiger Jagdmunition. Als relativ reiches Land mit vielen wandernden Arten muss Deutschland aber auch die Umsetzung der Beschlüsse in anderen Ländern fördern. Dazu gehört die bereits zugesagte Finanzierung einer Arbeitsgruppe zur Resolution zu Zugvögeln und erneuerbaren Energien, aber auch von Schutzprojekten in den Durchzugsgebieten und Winterquartieren unserer Zugvögel.
Lars Lachmann ist Referent beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) und dort Vogelschutzexperte.
Die Convention on the Conservation of Migratory Species (CMS), auch "Bonner Konvention" geannt, gilt seit ihrer Gründung 1979 als eines der bedeutendsten Übereinkommen des internationalen Artenschutzes. Im Fokus der CMS stehen Tierarten, die in regelmäßigen zeitlichen Abständen große Distanzen zurücklegen. Dazu zählen Zugvögel wie Störche, Kraniche, Gänse, Enten, Ibisse und Flamingos, Fledermäuse, aber auch Antilopen, Wale, Delfine, Robben und Lachse.