Lob für die Justiz
16. Dezember 2010Ivo Sanader wurde relativ schnell verhaftet - nur wenige Stunden nachdem der internationale Haftbefehl ausgestellt worden war. Die Polizei, die Generalstaatsanwaltschaft, die Anti-Korruptionsbehörde und die Geheimdienste hätten ihre Arbeit gut gemacht, sagen Analysten. Sie hätten keinen Augenblick lang die Kontrolle über Sanaders Verbleib verloren.
Besonders hervorgehoben hat die Polizei, dass sie sich an die Bürgerrechte - in diesem Fall die Sanaders - gehalten habe. Sie sei sehr darauf bedacht gewesen, ihre Befugnisse nicht zu überschreiten, damit die Festnahme nicht wegen falscher Vorgehensweisen fehlschlage. "Die schnelle Aktion zeigt, dass Präsident Ivo Josipovic mit der Kritik an den kroatischen Behörden unrecht hatte", sagt der politische Analyst Davor Gjenero aus Zagreb. Josipovic hatte bemängelt, dass die Behörden die Gesetze nicht umsetzen würden.
Präzedenzfall für Parteien
Gjenero ist überzeugt davon, dass der bevorstehende EU-Beitritt Kroatien dabei geholfen habe, diesen Erfolg zu verbuchen, denn die Union habe Kroatien klare Kriterien für Rechtsstaatlichkeit gesetzt. Wichtig sei auch, dass die Regierung von Premierministerin Jadranka Kosor nicht auf die Arbeit der Behörden und Geheimdienste Einfluss nehme oder sie behindere. "Da ist auch noch ein dritter günstiger Umstand: Nämlich, dass der Grund für die strafrechtliche Verfolgung von Ivo Sanader nicht nur Korruption ist, sondern auch die illegale Finanzierung seiner Partei, der HDZ."
Die gesamte politische Parteienlandschaft in Kroatien befinde sich nun auf einem Scheideweg, nicht nur die HDZ, so Gjenero. Denn eine transparente Finanzierung der Parteien und der Wahlkämpfe sei ein weiterer wichtiger Punkt im Forderungskatalog der EU.
Handfeste Beweise
Dass vorrangig die Generalstaatsanwaltschaft die Fäden gezogen habe, davon ist Zarko Puhovski von der Philosophischen Fakultät in Zagreb überzeugt. "Meiner Meinung nach hat die Generalstaatsanwaltschaft bewiesen, dass sie ihre Ermittlungen sehr umsichtig, sehr sachte und sehr nachhaltig vorangetrieben hat. Sie setzte die Strafverfolgung nach allen juristischen Regeln um, weil sie wusste, dass Vize-Premiers, Minister oder Regierungschefs noch unantastbarer sind als sonst jemand." Die Staatsanwaltschaft habe sich eine klare Position erarbeitet und geduldig abgewartet, bis sie alle Beweise gesammelt hatte.
"Die Generalstaatsanwaltschaft hat Zeugenaussagen von mindestens fünf Personen, die Sanader direkt beschuldigen, einschließlich der Tatsache, dass er Geld auf die Hand bekommen hat. Aber ich glaube nicht, dass dies schon ausreichend gewesen wäre, wenn sie jetzt nicht weitere Beweise hätten, die dies auch untermauern", sagt Puhovski. Er ist überzeugt, dass Sanaders nach Österreich reisen wollte, um diese Beweise schnell ins Ausland zu schaffen. "Die Beweise hätte sein Bruder aufbewahrt, der in Österreich lebt. Sanader ist wohl kaum so naiv zu glauben, dass er in ein Land fliehen kann, das ihn nicht an Kroatien ausliefern würde", behauptet Puhovski.
"Großer Fisch" im Netz
Am Tag der Verhaftung von Sanader wurden auch vier neue diplomatische Akten aus Zagreb auf der Enthüllungsseite WikiLeaks veröffentlicht. In einer Akte vom Januar kam der amerikanische Botschafter James Foley nach Gesprächen mit Generalstaatsanwalt Mladen Bajic zu dem Schluss, dass eine Anklage gegen einen "großen Fisch" vorbereitet würde. Foley erklärte, es sei eine wichtige Prüfung für den Kampf Kroatiens gegen Korruption. Über Bajic sagte Foley, dass dieser seit Jahren hadere und keine Ermittlungen eingeleitet habe, weil er nicht das Gefühl habe, ausreichend überzeugende Beweise gegen "große Fische" zu haben.
An dem Tag, als Sanader die diplomatische Immunität entzogen wurde und er Kroatien verlassen hatte, wurde dem flüchtigen kroatischen Ex-Premier umgehend auch das US-Visum entzogen. Die schnelle Reaktion der USA ist für Davor Gjenero keine Überraschung: Washington habe die Regierung von Jadranka Kosor sehr unterstützt - vor allem wegen der konsequenten Anti-Korruptionspolitik.
Autorinnen: Tatjana Mautner / Mirjana Dikic
Redaktion: Julia Kuckelkorn