Lage im Roten Meer lässt Preise steigen
3. Juli 2024Die USA ziehen ihren Flugzeugträger USS Dwight D. Eisenhower aus dem Roten Meer ab und schicken stattdessen die USS Theodore Roosevelt samt Begleitschiffen. Die Bedeutung des Seeweges durch das Rote Meer für den Welthandel ist gewaltig.
Die Aufgabe des Flottenverbandes ist der Schutz der Schifffahrtsrouten vor der arabischen Halbinsel bis zum Suezkanal. Aus dem Jemen beschießen Huthi-Milizen seit mehr als einem halben Jahr Schiffe, die sie wegen ihrer Besitzer oder Betreiber mit Israel in Verbindung bringen. Am 20. Juni hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, die Huthi, die im aktuellen Nahostkonflikt Partei gegen Israel ergriffen haben, hätten mit einer Drohne einen Kohletransporter versenkt.
Als Reaktion auf die Huthi-Attacken hatten die USA und Großbritannien in den vergangenen Monaten mehrfach Stellungen der Miliz im Jemen angegriffen. Zudem versuchen Kriegsschiffe zweier internationaler Koalitionen, den Schiffsverkehr entlang der jemenitischen Küste zu sichern. Auch die Deutsche Marine war mit der Fregatte "Hessen" im Rahmen der EU-Mission "Aspides" daran beteiligt.
Die Kosten steigen wieder
Der Welthandel steht seit dem vergangenen Oktober, als die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Überfall palästinensischer Terroristen auf Israel begannen, unter enormem Druck: Weltweit müssen Händler höhere Frachtkosten einkalkulieren und mehr Geld für die Versicherung ihrer Waren ausgeben.
Höhere Versicherungskosten beklagen auch die Reeder, da die Gefahr drastisch gestiegen ist, dass sie ihre Schiffe verlieren. Wenn sie aus Vorsicht die Passage durch den Suezkanal umgehen und stattdessen das Kap der Guten Hoffnung umrunden, müsse sie außerdem mit längeren Fahrtzeiten und höheren Treibstoffkosten rechnen. Diese Kosten bezeichnet Bloomberg bereits als das "neue Normal".
Der "Drewry World Container Index" beobachtet den Frachtmarkt und hat die exorbitanten Preisanstiege festgehalten. Demnach ist der durchschnittliche Transportpreis für einen großen Standardcontainer von 40 Fuß in der vorletzten Juni-Woche um sieben Prozent gestiegen - im Vergleich zum Vorjahr allerdings um satte 233 Prozent. Auf einigen Routen sind die Preise sogar noch weit deutlicher nach oben gegangen.
Mittelbare Effekte
Simon MacAdam, Ökonom bei Capitol Economics, einem in London ansässigen unabhängigen Finanzberatungsunternehmen, beurteilte das DW gegenüber so: "Die Reeder haben sich scheinbar recht gut mit der Situation zurechtgefunden, wenn man bedenkt, welche Umstände es bereitet, den Suezkanal nicht uneingeschränkt nutzen zu können."
Nach einem halben Jahr Krise in dieser Weltgegend seien "die Frachtkosten in den vergangenen Monaten gesunken, nachdem sie im Januar in die Höhe geschossen waren." Doch einen Grund zur Entwarnung sieht er nicht: "Jetzt beginnen sie schon wieder zu steigen."
Man solle aber bedenken, so MacAdam zur DW, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen für die aktuellen Preisanstiege nicht unmittelbar verantwortlich seien: "Der Auslöser scheint zu sein, dass Importeure gerade viele Bestellungen vorziehen um sicherzustellen, dass sie im Verlaufe des Jahres genug Waren vorrätig haben. Doch die bestehenden Probleme - dass Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung umgeleitet werden - haben die Schifffahrt belastet und machen weitere Preissprünge eher wahrscheinlich.
Der Weg um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika bedeutet, dass Schiffe den afrikanischen Kontinent komplett umfahren, bevor sie nach Europa gelangen.
Mehr Schiffe werden gebraucht
Jan Hoffmann, Handelsexperte bei der Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD, einer UN-Organisation mit Sitz in Genf, erklärt DW, warum die Frachtraten generell gestiegen sind: "Der Hauptgrund sind die längeren Distanzen, die die Schiffe zurücklegen müssen. Für den Umweg um Südafrika herum braucht man mehr Schiffe, um das Angebot aufrecht zu erhalten. Und die Durchschnittsdistanz für einen Container ist 2024 um neun Prozent länger als noch 2022."
Sind die Schiffe länger unterwegs, müsse man vor allem mehr Schiffsraum einsetzen: Das bedeutet, mehr Schiffe zu kaufen oder zu chartern und mehr Personal einzustellen. Hoffmann zu DW: "Längere Routen erfordern mehr Schiffe. Und wenn es diese Schiffe noch nicht gibt, steigen die Frachtpreise."
Und auch die Umwelt leide, so der UNCTAD-Experte: "Ein anderer Effekt ist, dass die Schiffe ihre Geschwindigkeiten erhöht haben. Höhere Geschwindigkeiten auf längeren Distanzen haben zu einem Anstieg der Emissionen geführt, beispielsweise um 70 Prozent auf der Route Singapur-Rotterdam."
Sollten die Umleitungen noch länger bestehen, werde das zu höheren Preisen und zu weiteren Einschränkungen im internationalen Handel führen, sagt Hoffmann.
Doppelter Flaschenhals
Dazu komme, so Hoffmann, dass auch an anderer Stelle ein maritimer Flaschenhals den Warenverkehr behindert: Der Panamakanal kann wegen Wassermangels nicht uneingeschränkt befahren werden. Weil sowohl der Suez- als auch der Panamakanal nicht mehr voll zur Verfügung stünden, müsse man in den USA in die Seeverbindungen mit Ostasien eine "Landbrücke" einbauen - also einen Landtransport auf Schiene oder Straße von den Häfen der Westküste in die Zentren an der Ostküste.
Da das aber nicht so leicht ist, und in Fällen von Weizen- oder Flüssiggastransporten sogar ökonomisch unmöglich, müsse man einen sehr weiten und gefährlichen Umweg nehmen, nämlich die "alternative Route um das Kap Horn", die Südspitze Südamerikas.
Im Fall des Panamakanals sieht Capitol-Economics-Ökonom Simon MacAdam allerdings schon etwas Licht am Horizont. Die Wasserstände im Kanal, sagte er der DW, hätten sich "in den vergangenen Monaten etwas erholt und das Wetterphänomen 'La Nina' dürfte die Lage demnächst weiter entspannen. Der leichte Anstieg der Pegel hat bereits wieder zu einer Zunahme des Schiffsverkehrs im Kanal geführt."
"Es könnte noch schlimmer kommen"
Die Lage am Roten Meer bleibt dagegen angespannt. Noch immer würden rund 70 Prozent des internationalen Handels die Gegend meiden und um Afrika herumfahren, berichtet Bloomberg.
Die Entsendung des neuen Flugzeugträgerverbandes der US Navy zeigt, wie dauerhaft ernst die Lage von Militärs eingeschätzt wird.
Simon MacAdam glaubt, eine längere Krise werde die Reeder überfordern und die Frachtraten weiter steigen lassen. "Schiffe zu bauen dauert viele Jahre und neue Container werden zu 90 Prozent in China gebaut. Höhere Kapazitäten lassen sich daher nicht über Nacht aufbauen", so der Finanzexperte. Seine Prognose: "Es könnte noch schlimmer kommen."