Lawrow tadelt erneut Westen im Fall Skripal
2. April 2018Die Beziehungen Russlands zum Westen sind wegen der Skripal-Affäre nach Ansicht des russischen Außenministers Sergej Lawrow so schlecht wie lange nicht mehr. Zu Zeiten des Kalten Krieges habe man sich zumindest noch an bestimmte Regeln gehalten, sagte er in Moskau. Doch nun hätten Großbritannien und die USA jeden Anstand verloren. Sie nutzten offene Lügen und Desinformation.
Auslöser der schweren internationalen Krise ist die Vergiftung des russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia am 4. März in Großbritannien. Die britischen Behörden gehen davon aus, dass beide mit dem in der früheren Sowjetunion entwickelten Kampfstoff Nowitschok vergiftet wurden, machen daher Russland für den Anschlag verantwortlich. Die Regierung in Moskau bestreitet jede Verwicklung und verlangt die Vorlage von Beweisen.
Aus Solidarität mit London hatten 26 westliche Länder, darunter die USA und Deutschland, rund 140 russische Diplomaten ausgewiesen. Moskau verwies als Gegenmaßnahme ebenso viele Diplomaten des Landes. Am Moskauer Flughafen Wnukowo kamen am Samstag 60 russische Diplomaten aus Washington und New York mit ihren Familien an. Das bisherige US-Konsulat in St. Petersburg schloss seine Türen und zog die Flagge ein. Dort fuhren Umzugswagen vor.
Ablenkungsmanöver wegen Brexit?
Lawrow stellte in den Raum, dass der Anschlag auch durchaus im Interesse der britischen Regierung selbst gewesen sein könnte. Die Regierung in London befinde sich schließlich in der unangenehmen Situation, dass sie ihre Versprechen an die Wählerschaft zu den Bedingungen des Brexit nicht erfüllt habe. Wie weit sich die Eskalationsspirale jetzt noch drehe, liege nicht in den Händen Russlands, sagte Lawrow.
Ob Moskau zusätzliche Sanktionen gegen den Westen verhängen werde, sei noch offen. "Wir wollen diese Kinderspiele nicht", fügte der russische Chefdiplomat hinzu. Der Westen setze aber genau auf dieses Druckmittel. Mit den Ausweisungen werde lediglich die Möglichkeit geschmälert, eine Lösung des Konflikts auf diplomatischer Ebene zu finden, unterstrich Lawrow.
Auf der Pressekonferenz äußerte der Chefdiplomat die Hoffnung, dass sich der Zustand von Sergej Skripal bald bessere. Gleichzeitig habe Moskau noch immer keinen Kontakt zu Julia Skripal, die russische Staatsbürgerin ist. Der 33-Jährigen geht es inzwischen deutlich besser. Ihr Vater befindet sich nach Angaben der Ärzte in einem kritischen Zustand. "Es ist empörend, dass alle unsere Forderungen unbeantwortet bleiben und wir immer noch keinen Zugang zu ihr bekommen", betonte der Minister.
Frageliste an OPCW übermittelt
Russland veröffentlichte unterdessen die 13 Fragen, die es im Fall Skripal an die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag geschickt hat. So will die Regierung in Moskau unter anderem Wissen, ob die britische Seite dem Technischen Sekretariat der OPCW irgendwelche Zusatzinformationen aus der eigenen nationalen Ermittlung zur Verfügung gestellt hat.
Der russische Vertreter bei der OPCW, Alexander Schulgin, kündigte an, bei der Organisation einen "einfachen, klaren Vorschlag" für die weiteren Ermittlungen machen zu wollen. Er nannte aber keine weiteren Details dazu. Moskau hat für diesen Mittwoch eine Sondersitzung des Exekutivrates der Organisation einberufen, um über den Fall Skripal zu beraten. Die Sitzung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die OPCW mit Sitz im niederländischen Den Haag ist verantwortlich für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahre 1997. Sie ist eine unabhängige internationale Organisation, die aber eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet.
kle/uh (dpa, rtr, afp)