Leben und Traditionen der Jesiden
Durch die Angriffe der Terrororganisation "Islamischer Staat" sind die Jesiden über Nacht in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Über ihre Herkunft, den Glauben und die Traditionen ist jedoch nur wenig bekannt.
Der "Engel Pfau"
Der jesidische Glaube ist älter als das Christentum oder der Islam. In der jesidischen Theologie gibt es einen Gott, der über allem steht - einen Teufel gibt es hingegen nicht. Eine zentrale Bedeutung hat Melek Taus, der "Engel Pfau". Nach der jesidischen Mythologie hat er in besonderer Weise der Allmächtigkeit Gottes gehuldigt und wurde deshalb von Gott zum Oberhaupt der sieben Engel erkoren.
Der heilige Ort
Das wichtigste Heiligtum der Jesiden ist die Pilgerstätte Lalisch im Nordirak. Hier befinden sich zwei heilige Quellen sowie die Grabstätte von Scheich Adi ibn Musafir, dem bedeutendsten Heiligen der Jesiden. Der genaue Ursprung des Ortes Lalisch ist noch weitgehend unerforscht. Heute wird das abgelegene Gelände von kurdischen Peschmerga-Kämpfern streng bewacht.
Pilgerfest in Lalisch
Jährlich pilgern Tausende Jesiden nach Lalisch. Dort werden die Heiligen verehrt und mit traditioneller religiöser Musik gefeiert. Von vielen Jesiden wird die Pilgerreise als Zusammenkunft mit "der großen jesidischen Familie" angesehen. Das traditionelle Pilgerfest findet im Oktober statt.
Ursprung im Irak
Die meisten der geschätzt 800.000 Jesiden leben im Nordirak, kleine Gruppen in Syrien, der Türkei, Armenien und Georgien. Die größte jesidische Gemeinschaft in Europa gibt es mit etwa 60.000 Menschen in Deutschland. Genaue Zahlen werden aber nirgendwo erfasst.
Unterdrückung und Vertreibung
Nicht erst seit den Überfällen der Terrorgruppe "Islamischer Staat" sind die Jesiden im Nordirak eine verfolgte Religionsgemeinschaft. Auch unter Saddam Hussein (1979-2003) und in der Zeit davor sahen sie sich immer wieder Anfeindungen anderer Religionsgruppen ausgesetzt. Einige Muslime betrachten die Jesiden als abtrünnige Sekte.
Proteste in Deutschland
In Deutschland haben in den vergangenen Wochen vielerorts Jesiden für den Schutz ihrer Freunde und Angehörigen im Irak demonstriert. Viele forderten die Europäische Union zu einem entschlossenerem Handeln auf. Die meisten Jesiden in Deutschland leben in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen. Viele kamen schon in den 1980er Jahren als Flüchtlinge ins Land.
Traditionen werden gepflegt
Auch in Deutschland führen viele Jesiden ihre Traditionen fort. Dazu gehört es, bei Feiern die typischen Gewänder zu tragen. Jeside wird man nur durch Geburt. Andere Menschen zum eigenen Glauben zu bekehren, ist den Jesiden fremd. Es ist aber auch für Jesiden selbst nicht leicht, die eigene Religionsgemeinschaft zu verlassen. Oft verhindern Familienclans die Heirat mit einem Nicht-Jesiden.
Jesidische Friedhöfe
In Hannover und anderen deutschen Städten mit größeren jesidischen Gemeinden gibt es inzwischen die Möglichkeit, Verstorbene gemäß der jesidischen Tradition zu bestatten. Die Friedhöfe haben dazu eigene Grabfelder und Räume eingerichtet, in denen die Verstorbenen nach jesidischen Riten gereinigt und beklagt werden können. Früher war es üblich, die Toten in die Heimatländer zu überführen.