Leere WM-Stadien
14. Januar 2013An den 3. Juli 2010 werden sich deutsche Fußball-Fans sicherlich noch lange erinnern. Im Green Point Stadium von Kapstadt besiegte die DFB-Auswahl Argentinien in einem mitreißenden Viertelfinale mit 4:0, Lionel Messi und Co. wurden vor 64.000 Zuschauern in der vielleicht schönsten WM-Arena Südafrikas gnadenlos entzaubert. "Das ist ein Traum", sagte sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel anschließend zu den deutschen Spielern.
Während der WM wurde das Stadion weltweit gerühmt - wegen seiner Architektonik und der besonderen Lage am Atlantik in Sichtweite des Tafelbergs. Mittlerweile haben die städtischen Behörden im Cape Town Stadium, so der neue Name, das Kommando übernommen. Die Arena wird vor allem vom Fußball-Erstligisten Ajax Kapstadt genutzt. Einen positiven WM-Effekt für seinen Club hat Teammanager Max Grünewald ausgemacht. "Man sieht, dass nach der WM die Zuschauerzahlen gestiegen sind. Die Frage ist: Zieht das neue Stadion mehr Leute, die bei der WM keine Möglichkeiten hatten, Tickets zu erwerben und daher jetzt kommen, oder ist es etwas Langfristiges?"
Wohl eher nicht, wie Grünewald selbst einräumen muss. Denn aktuell liegt der Schnitt nur bei 8.000 bis 9.000 Zuschauern. "Aber man muss wissen, dass in einem Spiel gegen Topclubs wie die Kaizer Chiefs 60.000 da sind. Dann hat man auch Partien, da spielt man vor 500 Zuschauern. Dann sieht es schon leer aus in diesem großen Stadion", stellt der Deutsche fest.
Dieses Problem gibt es auch in den anderen WM-Stadien. Die Kaizer Chiefs aus Johannesburg etwa spielen zumeist in Soccer City, dem größten Stadion Südafrikas. "Beim Soweto-Derby gegen die Orlando Pirates ist es voll, ausverkauft mit 80.000 Leuten. Das ist beeindruckend", sagt Grünewald. "Aber bei den anderen Spielen ist das Stadion oft leer."
Teams ohne eigene Stadien
Ajax Kapstadt aus der Premier Soccer League (PSL) ist Hauptmieter des Cape Town Stadiums. "Wir haben keine eigene Arena", bemerkt Grünewald. "Kein südafrikanischer Verein hat ein eigenes Stadion, diese werden gemietet." Nicht selten verkaufen die Spitzenmannschaften ihre Heimspiele sogar in andere Städte. Das wäre in Deutschland oder Europa undenkbar. "Man muss sich das so vorstellen: Bayern München erhält fünf Millionen Euro und spielt dafür eine Partie in Hamburg." Damit könne man aber auch keine Fangemeinde aufbauen, beklagt der Teammanager.
"Es gab sogar Gedanken, das Stadion wieder abzureißen, obwohl man das aus Prestigegründen gar nicht machen kann", erklärt Grünewald. "Man hat so viel Geld da reingesteckt, um es an diesem Standort zu bauen: Neben dem Meer, vor dem Tafelberg, in der Stadt. Man hätte aber auch genügend andere Stadien zur WM gehabt, die man zu günstigeren Preisen hätte realisieren können."
"Stadion rechnet sich"
Umgerechnet rund 450 Millionen Euro hatte das imposante, weiße Rund gekostet. Pam Naidoo, Kaufmännische Leiterin des Stadions in Kapstadt, weist Kritik an den Kosten zurück. "Da ist offensichtlich eine Lobbygruppe, die sagt, das Stadion sei zu kostspielig. Ich denke nicht, dass es abgerissen werden müsste, weil es sich nicht rechnet. Es rechnet sich definitiv."
Vor allem mit Rock-Konzerten versucht die Stadt, die Stadionauslastung zu erhöhen. U2, Coldplay, die Eagles und Linkin Park waren da und lockten Zehntausende in die Arena. Hinzu kommen Stadionführungen, Events, Konferenzen oder Hochzeitsfeiern. Auch wird das Stadion gerne als Kulisse für Hollywood- und Bollywoodfilme genutzt. "Das Interesse ist groß. Über 700.000 Menschen waren seit Januar 2011 bei Events im Stadion", berichtet Naidoo.
Doch auch das reicht finanziell nicht. Rund 50 Millionen südafrikanische Rand (ca. 437.000 Euro) musste die Stadt im abgelaufenen Geschäftsjahr an Unterhalt zahlen - sie hatte aber nur Einnahmen von elf Millionen Rand. "Wir sind in einem Prozess der Neubewertung", erklärt Naidoo. Wegen des Defizits sollen nun möglicherweise Restaurants, Bars, Tagungsräume, Büros und ein Besucherzentrum im Stadion angesiedelt werden.
Afrika-Cup ohne Kapstadt
Einen Rückschlag in der Vermarktung des Stadion musste Kapstadt im Zusammenhang mit dem Afrika-Cup 2013 hinnehmen. Südafrika ist Ausrichter dieses wichtigsten Fußball-Turniers des Kontinents (19. Januar - 10. Februar), der Regierungssitz gehört aber nicht zu den Spielorten. "Wir haben mitgeboten, aber ohne bestimmte finanzielle Garantien seitens der Regierung war uns das finanzielle Risiko zu hoch. Es ist schade und wir wissen, dass viele Leute enttäuscht sind", erklärt Pam Naidoo.
Für Max Grünewald ist es "eigentlich eine Frechheit, das beste oder auch das am besten in Stand gehaltene Stadion nicht zu nutzen." Probleme sieht der Ajax-Teammanager dagegen in den anderen WM-Städten. Seitdem der Fußball-Weltverband FIFA weg sei, habe man sich nicht wirklich um die Arenen gekümmert. "Die Plätze in manchen Stadien vergammeln." Und der Rasen genüge nicht mehr dem Toplevel-Anspruch.
In Diskussion war es, Olympische Sommerspiele nach Kapstadt zu holen. Allerdings hat die Arena keine Laufbahn für Leichtathletik-Wettbewerbe. Sie ist vielmehr als Fußball- und Rugby-Stadion konzipiert. Auf eine vermehrte Rugby-Nutzung ruhen jetzt viele Hoffnungen. Denn Rugby ist neben Fußball und Cricket die beliebteste Sportart in Südafrika. Pam Naidoo stellt jedenfalls fest: "Es wird besser werden, es kann nur besser werden."