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Leipziger Buchmesse

Gabriela Schaaf15. März 2012

Die Leipziger Buchmesse ist ein Lesefest für die ganze Stadt und Brücke für die Literaturen Osteuropas. Zusammen mit dem Rahmenprogramm "Leipzig liest" läutet sie alljährlich den Bücherfrühling ein.

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Besucher der Leipziger Buchmesse gehen durch die Glashalle der Messe in Leipzig (Foto: Sebastian Willnow/dapd)
Bild: Sebastian Willnow/dapd

Wenn Oliver Zille vom Leipziger Bürgermeister Michael Faber bereits als Artefakt bezeichnet wird, das dieser am liebsten eines Tages im Museum ausstellen würde, dann ist das unbedingt als Kompliment zu verstehen und hat nichts mit dem tatsächlichen Alter des Gelobten zu tun. Denn als Direktor der Leipziger Buchmesse hat Zille in den vergangenen Jahren viel dazu beigetragen, aus der "kleinen Schwester" der Frankfurter Buchmesse das Frühjahrsevent der Bücher zu machen. Was nicht zuletzt deshalb gelang, weil Leipzig sich immer als Ort der Innovation und als junge Messe verstanden hat: Der Lesenachwuchs findet hier ebenso ein Podium wie junge Autoren und die unabhängige Verlagsszene. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Acht Prozent mehr Einzelaussteller als im Vorjahr haben sich für 2012 angemeldet. Über 2600 Veranstaltungen auf dem Messegelände und in der ganzen Stadt bringen Leser und Autoren zusammen.

Innovation und Tradition

Dabei stehen die Zeichen in der Branche zwar nicht gerade auf Sturm, aber doch auf leichtem Gegenwind. Der Buchmarkt schrumpft, so konstatierte Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, kurz und bündig auf der Eröffnungspressekonferenz. Die Umsätze sind 2011 um 1,8 Prozent gesunken, und das stationäre Buchgeschäft nimmt kontinuierlich ab. Auf der anderen Seite schreitet das digitale Buch langsam, aber stetig voran und mit ihm der Verkauf über Online-Plattformen. Sorgen macht dem Chefvertreter der Branche aber vor allem die aggressive Debatte um das Urheberrecht im Netz. "Freiheit im Netz" könne nicht "kostenfrei" bedeuten. Kreative Arbeit müsse honoriert werden, so forderte er nachdrücklich: "Geistiges Eigentum sichert erst die kulturelle Vielfalt".

Die zeigt sich in Leipzig vor allem auch in den Schwerpunkten zu den Literaturen Ost- und Südosteuropas. Schon traditionell versteht sich die Messe hier als Brücke für den deutschen Buchmarkt. Die immer wieder aufgelegten Programmschwerpunkte sowie der "Buchpreis zur Europäischen Verständigung" haben mit dazu beigetragen, dass einige weiße Flecken auf der literarischen Landkarte verschwunden sind.

Buchmesse Leipzig Logo tranzyt
Ein LKW voller Bücher fährt in Richtung DeutschlandBild: Leipziger Messe

Transit auf den deutschen Buchmarkt

Unter der Überschrift "Tranzyt" bilden die Literaturen Polens, der Ukraine und Belarus jetzt für die kommenden drei Jahre einen Schwerpunkt in Leipzig - kuratiert vom Buchpreisträger des Vorjahres, dem österreichischen Schriftsteller Martin Pollack. Drei Länder, die sich in unterschiedlichen Phasen des Übergangs, des Transits befinden, so erläutert Pollack den Titel. Wobei auch die Arbeitsbedingungen für Autoren höchst unterschiedlich sind. "Die Situation in Belarus ist eine ziemlich grimmige", so bringt es Pollack auf den Punkt. Das Land sei unter dem Diktator Lukaschenko eher im Rückschritt begriffen. "Ganz konkret heißt das Zensur". Manchmal verhindere man das Erscheinen eines Buches auch damit, dass man den Verlagen die Papierlieferung sperre. "Es ist kein Zufall", so Pollack, "dass ein Teil der Autoren im Ausland lebt und viele wichtige Bücher im Ausland erscheinen" - in Litauen etwa, in Polen und vor allem auch in Russland. "Das ist ja schon symptomatisch für die Situation, dass Russland um vieles liberaler ist als Belarus".

Europa an der Peripherie

Trotz aller Unterschiede hat die Messe die drei benachbarten Länder ganz bewusst zu einem Schwerpunkt zusammengefasst. Denn sie teilen über Jahrhunderte eine gemeinsame Geschichte; eine Geschichte, in der die Grenzen immer wieder verschoben wurden, auch die Sprachgrenzen. Sie bilden eine Region - und da schließt sich der Kreis zum diesjährigen Träger des europäischen Buchpreises Timothy Snyder -, die unter den Terrorregimen Stalins wie Hitlers gelitten hat, unter Okkupation, Massenmorden und Vergeltungsaktionen. "Bloodlands", blutgetränkte Erde, so lautet der Buchtitel des amerikanischen Historikers. Eine Region, die lange unzugänglich hinter dem Eisernen Vorhang lag und sich auch jetzt, im Europa des Schengener Abkommens, wieder an der Peripherie befindet. Eine Region, so Martin Pollack, in der die Literatur sehr viel mehr aus der Geschichte schöpft als im Westen. Eine Geschichte, die kennen zu lernen auch für die Leser in Deutschland ein Gewinn wäre, denn "es ist in jedem Fall eine europäische Geschichte, es ist auch ein Teil unserer Geschichte." Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Polen, der Ukraine und Belarus, die die Messe für den deutschen Buchmarkt empfehlen möchte, könnten viel dazu beitragen.

Martin Pollack, der Träger des Leipziger Buchpreises 2011 für Europäische Verständigung, auf der Leipziger Buchmesse 2011 (Foto: Florian Eisele)
Martin PollackBild: picture alliance/ZB