Angelino - ein Fall für Liebhaber
28. Oktober 2020Normalerweise fallen Links- und auch Rechtsverteidiger nicht so stark auf. Mal gewinnen sie einen Zweikampf, vielleicht kommt auch mal ein sehenswerter Pass oder eine Flanke beim Mitspieler an. Aber in den meisten Fällen sind Spieler, die diese Position bekleiden, eher der "Typus Mitläufer" in einer Fußball-Mannschaft, wenngleich sie eine für das Spiel wichtige Position bekleiden. Ausnahmen gab und gibt es aber auch hier natürlich immer wieder. Etwa Roberto Carlos oder Marcelo bei Real Madrid, Philipp Lahm bei Bayern München oder Dani Alves und Jordi Alba beim FC Barcelona - um nur einige zu nennen. Allesamt sind oder waren bei großen Klubs engagiert. Das Gros der Außenverteidiger, zumal in weniger namhaften Klubs unter Vertrag, zählt aber im Regelfall zu den verlässlichen Pflichterfüllern.
Bei RB Leipzig schickt sich José Ángel Esmorís Tasende allerdings an, einer dieser außergewöhnlichen Akteure zu werden. Angelino wird der Spanier, der über das Potenzial verfügt, auf dieser Position künftig für großes Aufsehen zu sorgen, gerufen. Der 23-Jährige ist ausgeliehen von Manchester City und seit ca. neun Monaten in Leipzig. Und nicht wenige Trainer in ganz Europa dürften RB-Coach Julian Nagelsmann um den Spanier beneiden.
Bestens ausgebildet
Im System von Nagelsmann müssen Verteidiger neben der Sicherung der Defensive vor allem auch Offensivakzente setzen und sich immer wieder in die Angriffe einschalten. Daran musste sich der 1,71 Meter große Angelino erst gewöhnen. In der Rückrunde der vergangenen Saison spielte er zu "mannschaftsdienlich" und "suchte noch zu häufig seinen Nebenmann", so Nagelsmann. "Inzwischen agiert er offensiver, dadurch kommt er häufiger in die torgefährlichen Räume."
Wie gut das funktioniert, zeigt sich seit Beginn der laufenden Saison. In der Bundesliga erzielte er in fünf Partien zwei Treffer, in der Champions League in einem Spiel bereits zwei Tore. "Er hat einen extremen Spieltrieb, will immer nur gewinnen und will immer den Ball am Fuß haben und arbeiten. Er ist wissbegierig, hört zu und setzt die Dinge um", sagt Nagelsmann, der von seinem Spieler ganz offensiv bis zu acht Treffer in der Saison einfordert. "Er ist in der Lage, ohne große Anpassungsprobleme drei, vier verschiedene Positionen zu spielen. Das gibt dem Trainer auch mal die Option, ohne Wechsel die Grundordnung anzupassen", sagt der Coach.
Der richtige Förderer
Aufgrund all der positiven Eigenschaften Angelinos wundert es nicht, dass dieser in der Kürze der Zeit ein unverzichtbarer Bestandteil des Leipziger Teams geworden ist. Und diese rasante Entwicklung hatte nicht nur mit Julian Nagelsmann zu tun, wie der Leipziger Fußballlehrer selbst einräumt: "Er hatte mit Pep Guardiola einen super Trainer, ist hervorragend ausgebildet zu uns gekommen. Deshalb war die Adaptionszeit auch ein bisschen geringer."
Der wieselflinke Spanier hat sich trotz anderer Angebote, unter anderem hatte sich der FC Barcelona für Angelino interessiert, für die Leipziger entschieden, weil er in seinem Trainer den richtigen Förderer sieht. "Nagelsmann lässt mich sehr kreativ agieren. Er schränkt mich nicht ein, sondern gibt mir Vertrauen und die Freiheit, Entscheidungen zu treffen", sagt der Spanier über seinen Leipziger Trainer.
Nicht immer angenehm
Auf die Vielzahl der Pflichtspiele in dieser komprimierten Saison reagiert auch Nagelsmann und gibt seinen Profis hin und wieder eine Verschnaufpause. Allerdings kommt diese bewusste Rotation nicht bei jedem Spieler gut an - denn welcher ambitionierte Profi schaut schon gerne seinen Kollegen beim kicken zu? Angelino jedenfalls nicht, wie der Trainer ein wenig leidvoll zu berichten weiß: "In Momenten, in denen er nicht spielt, ist er unangenehm. Das war ja bislang erst zweimal der Fall. Das beschreibt seinen Charakterzug ganz gut", sagt Nagelsmann.
Die Leipziger haben eine Kaufoption für Angelino, die nach einer gewissen Anzahl an Spielen automatisch wirksam wird. Selten dürften alle Beteiligten gleichzeitig hoffen, dass er die öffentlich nicht genannte Spielanzahl erfüllt. Denn das würde bedeuten, dass der hochtalentierte Spanier noch länger seine Fähigkeiten beim aktuellen Bundesliga-Spitzenreiter präsentieren kann. "Er verkörpert einen Typ Spieler, den ich liebe", bringt Julian Nagelsmann es auf den Punkt.