Leipziger Buchmesse
14. März 2011Leipzig und Bücher – dieses Begriffspaar bildete über Jahrhunderte hinweg eine Einheit in Deutschland. Hier trafen sich Buchhändler, Drucker und Verleger zu ihren Jahrestagungen, hier wurde 1825 der "Börsenverein des Deutschen Buchhandels" gegründet, der Branchenverband der Verleger und Buchhändler, der bis heute mit seinem Namen Verwirrung unter denen stiftet, die nicht der Buchbranche angehören. Hier schlug das Herz der deutschen Büchermacher.
Das Herz der deutschen Buchbranche
Die Geschichte der Leipziger Buchmesse ist eng verbunden mit der Geschichte der Konkurrenz in Frankfurt: Nachdem im Zuge der Gegenreformation das Handeln mit Büchern in Frankfurt durch massive Zensur schwierig wurde, blühte dieses Geschäft im protestantischen Leipzig im 16. Jahrhundert auf. Spätestens seit Mitte des 17. Jahrhunderts lief die Messestadt in Sachsen der Konkurrenz in Frankfurt endgültig den Rang ab. Und während die Buchmesse in Leipzig für Jahrhunderte blühte, schlief das Buchgeschäft in Frankfurt irgendwann im 18. Jahrhundert ganz ein.
Erst die deutsche Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg ließ Leipzig in den Hintergrund treten. Ab 1949 begann der erstaunliche Siegeszug der Frankfurter Buchmesse. Als dann 1990 Deutschland vereinigt wurde, gab es einen lauten Chor der Branchenstimmen, die forderten, auf Leipzig als Buchmesse-Standort zu verzichten.
Glücklicherweise – so muss man heute sagen – fanden diese Stimmen kein Gehör: Weder bei der Stadt Leipzig und dem Land Sachsen, die erkannten, dass die Buchmesse der wichtigste verbliebene Imageträger für den Wirtschaftsstandort war, noch beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der die "ideelle Trägerschaft" der Leipziger Buchmesse übernahm und gegen den Willen eines großen Teils seiner Mitglieder an der Veranstaltung festhielt.
Doch was sollte diese Buchmesse bieten, wodurch sollte sie sich unterscheiden vom Frankfurter Giganten? "Ostkontakte" hieß die Lösung in den frühen 90er Jahren: Leipzig sollte eine Drehscheibe für das internationale Buchhandels- und Lizenzgeschäft mit Mittel- und Osteuropa werden. Das hörte sich aufgrund der vermuteten alten Bekanntschaften aus Zeiten des Warschauer Pakts vernünftig an – in der Praxis wurde dieses Ansinnen aber zum Flop: Für den geschäftlichen Austausch mit Mittel- und Osteuropa waren längst die Buchmessen in Frankfurt, Warschau oder Moskau zum Zentrum geworden. Niemand brauchte, niemand wollte Leipzig in dieser Funktion.
Größtes Lesefest Europas
Wieder kam das Glück der Leipziger Buchmesse zu Hilfe, diesmal in Form der Werbestrategen des Bertelsmann-Buchclubs. Dort hatte man schon länger von einem riesigen öffentlichen Lesefest geträumt, das im Rahmen der Frankfurter Buchmesse partout nicht gelingen wollte. Hierdurch kam der Anstoß zu "Leipzig liest" – heute mit fast 2000 Veranstaltungen in der Buchmesse-Woche eins der größten Lesefestivals in Europa.
Über die Arbeit an "Leipzig liest" veränderten die Messemacher im Laufe der Jahre die Konzeption der Veranstaltung: Leipzig definierte sich bewusst als nationale Marketingveranstaltung für neue Bücher. Und dies mit Erfolg: Die Teilnahme der Medien explodierte. Heute steht Leipzig der Frankfurter Konkurrenz kaum nach, was die Intensität der Berichterstattung angeht – auch wenn sich diese vor allem auf den deutschsprachigen Raum konzentriert. Und eine ganze Reihe von internationalen Ausstellern hat auch den Weg hierher gefunden.
Immer wieder hat Leipzig auch Innovationen gebracht, die später von Frankfurt übernommen wurden: Sei es das große Hörbuchforum, seien es die zahlreichen Fachkonferenzen im Rahmenprogramm, oder seien es die dezentralen Veranstaltungsorte, die über die Messehallen verstreut sind und das Publikum in Massen anziehen – allesamt sind diese Ideen heute auch in Frankfurt erfolgreich.
Heute zählt die Leipziger Buchmesse mit knapp über 2000 Ausstellern aus 39 Ländern und rund 156.000 Besuchern zu den größten Buchmessen der Welt. Vor 20 Jahren schien das noch undenkbar.
Autor: Holger Ehling
Redaktion: Gabriela Schaaf