Leroy Sané: Erst belächelt, dann bewundert
23. April 2018Wer hätte das vor zwei Jahren für möglich gehalten? Der deutsche Nationalspieler Leroy Sané ist zum besten Nachwuchsspieler der Premier League gekürt worden. Der Leroy Sané also, bei dem viele nur den Kopf geschüttelt haben, als er sich 2016, mit gerade einmal 20 Jahren, dazu entschlossen hatte, dem FC Schalke den Rücken zu kehren und den Riesenschritt in Richtung Manchester City zu wagen. Der Leroy Sané also, dessen Zeit bei den "Citizens" mit einer Oberschenkelverletzung begann, die ihm in der Saisonvorbereitung einen Trainingsrückstand einbrachte, weshalb er zu Beginn der Punkterunde 2016/17 meist auf der Bank saß und nur eingewechselt wurde. "Er spielt jetzt bei den großen Jungs", schrieb "Die Welt" Anfang Oktober 2016.
"Ich weiß, dass da noch mehr kommen wird", sagte Sané selbst nach seinem ersten Ligator für City am 17. Spieltag gegen Arsenal London. Auch Sanés Trainer Pep Guardiola machte im März 2017 in der Schwäbischen Zeitung deutlich: "Er muss über 90 Minuten besser im Spiel sein. Er taucht noch etwas zu sehr ab.“ Sané wurde besser im Spiel und bald darauf sogar zum Stammspieler. Vom 22. bis zum letzten Premier-League-Spieltag in Manchester stand er in der Startelf. Mit wettbewerbsübergreifend 37 Spielen (9 Tore, 8 Vorlagen) absolvierte er am Ende eine gelungene Premieren-Saison in England.
Der Durchbruch bei den "Citizens"
In der darauf folgenden Saison waren dann alle Anlaufschwierigkeiten vergessen und dem heute 22-Jährigen gelang der Durchbruch bei den "Citizens". Und diesen, sagt Sané selbst, verdanke er vor allem seinem Trainer: "Er hat mir sehr geholfen. Ich kann sagen, dass er meine Spielweise komplett verändert hat", so Sané im britischen Sender Sky Sports. Auf der Insel feiern ihn seine Fans besonders für seine Schnelligkeit: "Schneller als ein T-Rex" sei dieser außergewöhnliche Spieler, befand die "Sun", die während eines Spiels Sanés Topspeed bei 35,48 Stundenkilometern gemessen hatte. Damit war Sané der schnellste Spieler seit Einführung der Premier League 1992.
"Der deutsche Angreifer ist bei Manchester City auf dem Weg zu einem Weltklassestürmer", urteilte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (26.11.2017), nachdem Sané mit zahlreichen Torvorlagen zu Beginn der Saison 2017/18 weiter begeistert hatte und zu einer der "großen Attraktionen" der Liga geworden war. Ende Oktober 2017 erhielt Sané dann seine erste Auszeichnung. Die UEFA erklärte ihn zum "aufregendsten Talent Europas".
Im DFB-Team noch zweite Wahl
Die Qualitäten Sanés blieben natürlich auch dem deutschen Bundestrainer nicht verborgen. Joachim Löw lud ihn im November 2015 erstmals zu einem Länderspiel ein. Im Vorfeld der Partie äußerte er sich in einem Interview mit Abendblatt.de hinsichtlich der Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten äußerst positiv: "Leroy hat eine besondere Gabe, eine besondere Raffinesse. Ich denke mal, dass er den Sprung zu uns relativ schnell schaffen kann."
Tatsächlich durfte die 19 Jahre alte Nachwuchshoffnung dann am 13. November 2015 beim Testspiel in Paris gegen Frankreich sein Debüt feiern. Sanés Einwechslung in der 61. Minute rückte aber aufgrund der am selben Abend in Paris verübten Terroranschläge völlig in den Hintergrund. Danach kam er noch in zwei weiteren Testspielen für Deutschland zum Einsatz und wurde mit 20 Jahren in den DFB-Kader für die EM 2016 in Frankreich nominiert, bei der er aber nur für wenige Minuten zum Einsatz kam.
"Manchmal braucht er einen Tritt"
In Manchester ist Sané seither voll durch gestartet - im DFB-Team hat er seine Rolle jedoch noch immer nicht gefunden. Seine Bilanz: insgesamt zehn Länderspiele - kein Tor. Youngster wie Timo Werner und Joshua Kimmich sind an ihm vorbeigezogen - auch Richtung WM in Russland. "Citiziens"-Kollege Ilkay Gündogan muss es wissen. "Er braucht manchmal einen Tritt in den Allerwertesten." Werner und Kimmich haben auch vom Confed Cup 2017 profitiert, für den Sané wegen einer Nasen-Operation absagte. Löw ärgerte das. Für Werner, den Torschützenkönig, war das Turnier der internationale Durchbruch.
In dieser Saison habe Sané bei City "des Öfteren bewiesen, was in ihm steckt", so Gündogan. Im großen WM-Test gegen Brasilien in diesem Jahr hatte Bundestrainer Löw gehofft, dies auch im Nationaltrikot bewundern zu können. Doch Sanés Auftritt war enttäuschend. Real-Madrid-Star Toni Kroos prangerte im Nachhinein deutlich das Missverhältnis von Wort und Tat bei den Nachrückern um Leroy Sané und Ilkay Gündogan öffentlich an. "Ich habe von allen mehr erwartet. Aber wenn man die Möglichkeit hat in so einem Spiel, dann kann man hier und da schon eine andere Körpersprache erwarten“, rügte die Führungskraft. Bundestrainer Löw urteilte ebenfalls einigermaßen hart: "Das ist ein junger Spieler, der vielleicht nicht ganz so schnell in die Höhe schießt, wie das manche denken."
Mit Kritik von Trainern kann Sané umgehen. Das hat er in Manchester eindrucksvoll bewiesen. Auch mit einem "Tritt" scheint er klar zu kommen. Und die Auszeichnung zum "besten Nachwuchsspieler der Premier League" dürfte seine Chancen, auf den WM-Zug aufzuspringen, nicht geschmälert haben. Und vielleicht kann Sané die Chance dann sogar nutzen, um auch in der Nationalmannschaft richtig durchzustarten.