Leser im Fokus der Kunst
Die völlige Hingabe an die Lektüre war für viele Maler so faszinierend, dass sie immer wieder Lesende auf die Leinwand bannten. Das Franz Marc Museum setzt diese Bilder zum zehnjährigen Bestehen in Szene.
Einladung zur gemalten Lektüre
Wo sonst vor allem expressionistische Gemälde Franz Marcs die Wände schmücken, lädt das Museum in Kochel in seiner Jubiläumsausstellung zur Schau "Lektüre. Bilder vom Lesen - Vom Lesen der Bilder" ein. Vom 17. Juni bis zum 23. September hängen hier neben Bildern von Lesenden auch Werke, die das Wort in abstrakte Kunst verwandeln.
Pablo Picasso: La Lecture, 1953
Lesende bewegen sich stets zwischen zwei Welten: Das zeigt Picasso auf dem Gemälde mit den zwei Gesichtern seiner Lebensgefährtin Françoise Gilot. Zwischen der Lesenden und der Außenwelt besteht ein loser Kontakt; sie nimmt Sinneseindrücke wahr, befindet sich aber an einem anderen Ort. Ihre Hände, die wie Schwingen wirken, und das Gefieder an ihrem Rücken tragen sie in eine andere Welt.
Erich Heckel: Lesendes Mädchen, 1913
Erich Heckel zeichnete seine Freundin, als sie auf einer gemeinsam Reise in einen Prospekt vertieft war. Dabei zieht der Künstler Parallelen zwischen der Reise, auf der die beiden sich gerade befinden, und der, auf der sich seine Freundin beim Lesen in eine andere Welt begibt. Heckel selbst galt als passionierter Leser, weshalb er das Thema in seiner Kunst immer wieder aufgriff.
Auguste Renoir: Das lesende Mädchen,1886
Ob das Mädchen auf Auguste Renoirs Gemälde nun wirklich liest oder sich bloß die Illustration anschaut, wird der eigenen Fantasie überlassen. Fest steht: Sie ist in ihr Buch vertieft und hängt ihren Träumen nach. Neben dem Motiv der Lektüre zeigt der Maler hier auch das behütete Umfeld, in dem das Mädchen aufwächst. Der gutbürgerliche Schutzraum war stets ein Thema in seinen Werken.
August Macke: Elisabeth und Walterchen, 1912
Auch auf diesem Gemälde wird der Akt des Lesens mit einem behüteten Umfeld in Verbindung gebracht: Mackes Frau und sein kleiner Sohn befinden sich hier nicht in einem gewöhnlichen Zimmer: Stattdessen sitzen sie in einem kristallinen Raum, der von der Außenwelt abgeschottet zu sein scheint. Indem Elisabeth ihrem Sohn vorliest, schafft sie eine neue Welt, in die beide gemeinsam abtauchen können.
Cy Twombly: Ohne Titel, 1969
Hat das noch etwas mit Lesen zu tun? Die Schriftzeichen auf diesem Werk von Cy Twombly erinnern an kindliche Kritzeleien und lassen sich nicht entziffern. "Von der Schrift bewahrt Twombly die Geste, nicht das Resultat", beschrieb der Philosoph Roland Barthes einst treffend das Werk des US-amerikanischen Künstlers.