Letzte Kontrollrunde in Griechenland
15. Mai 2018Seit Anfang der Woche führen Kontrolleure der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) Vorgespräche in Athen. Ab Mittwoch schalten sich ihre Chefunterhändler sowie der griechische Finanzminister Euclid Tsakalotos in die Verhandlungen ein. Sie werden kein Selbstläufer: Nach übereinstimmenden Medienberichten hat die linksgeführte Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras bisher nur zehn der 88 vorgesehenen Reformmaßnahmen umgesetzt.
Unter anderem drängen die Kreditgeber auf eine Privatisierung staatlicher Energieunternehmen, auf neue Rentenkürzungen sowie auf Zwangsversteigerungen von Immobilien, deren Besitzer fällige Hypothekenzinsen nicht zahlen. Tsipras wiederum will möglichst viele der Sparauflagen entschärfen oder zumindest verschieben, da im nächsten Jahr Europawahlen und vermutlich auch nationale Parlamentswahlen stattfinden.
"Es wird schwer, die noch verbleibende und umfassende Reformagenda in so kurzer Zeit umzusetzen", sagt Panagiotis Petrakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen, gegenüber der DW. Viele Sparauflagen, insbesondere die immer wieder verschobene Privatisierung von Staatsbetrieben, bergen politischen und wirtschaftlichen Sprengstoff.
Etwa die geforderten Zwangsversteigerungen: Damit die griechischen Banken die Kredite abbauen können, die nicht mehr bedient werden, will die Regierung Auktionen freigeben und Hauskredite in bestimmten Fällen sogar für nur vier bis fünf Prozent ihres Wertes weiterverkaufen. Auch die EZB denke über diese Option ernsthaft nach, so Petrakis. Dies hätte allerdings zur Folge, dass die Banken einen Großteil der ursprünglich gewährten Kredite abschreiben müssten. Dadurch würde ihre Stabilität erneut gefährdet. Vereinfacht gesagt: Wenn die Banken auf den faulen Krediten sitzen bleiben, haben sie ein Problem. Wenn sie diese Kredite zum Spottpreis verkaufen, bekommen sie erst recht ein Problem.
Die Zeit drängt in Hellas
Aus Sicht der Geldgeber soll Griechenland alle Sparauflagen idealerweise bis Ende des Monats, spätestens aber bis Ende Juni umsetzen und damit das laufende Kreditprogramm in Höhe von 86 Milliarden Euro im August fristgerecht abschließen. Dann soll das krisengeplagte Land wieder auf eigenen Beinen stehen und seine Schulden über die Finanzmärkte refinanzieren. Zudem sei der erfolgreiche Abschluss des Rettungsprogramms eine Voraussetzung für weitere Schuldenerlasse, erklärt Eurogruppen-Chef Mario Senteno im Interview mit der Zeitung Kathimerini. Für Regierungschef Tsipras bedeutet ein "erfolgreicher Abschluss" vor allem eines: dass die Staatsfinanzen ab August unter keinerlei internationaler Aufsicht mehr stünden. Ein "Ende der Sparpolitik" unter seiner Führung könnte der Linkspolitiker im nächsten Wahlkampf wohl als eigenen Erfolg verkaufen.
Experten sind da allerdings skeptisch und schlagen eine sogenannte "vorbeugende Kreditlinie" vor - eine Art Sparschwein für den Fall, dass die Rückkehr Griechenlands an die Märkte nicht so reibungslos verläuft wie gewünscht. Auch der griechische Zentralbank-Chef Jannis Stournaras macht sich dafür stark. Eine derartige Kreditlinie sei nötig und die bessere Alternative, glaubt auch der Wirtschaftsexperte Petrakis. Sie diene nicht zuletzt den Märkten als Sicherheit. Ein Nachteil wäre allerdings, dass Griechenland in diesem Fall erneut um Unterstützung durch die Euro-Partner bitten und womöglich weiteren Kontrollrunden zustimmen müsste.
Noch wehrt sich Finanzminister Tsakalotos dagegen: "Wir schließen das Programm im August ab und wir werden nicht um die Absicherung durch eine Kreditlinie bitten", sagt Griechenlands oberster Kassenwart der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Petrakis befürchtet, dass die Athener Regierung und die Vertreter der Geldgeber bereits in diesen Tagen über die Zeit nach Auslaufen des aktuellen Rettungsprogramms verhandeln wollen. "Da geht alles ineinander über und es kann nicht sein, dass wir über Reformen im Sommer sprechen, ohne zu wissen, wie es nach dem Sommer weiter geht", mahnt der Ökonom.
Neue Streiks angekündigt
Doch zunächst einmal geht es darum, die letzten noch verbleibenden Auflagen umzusetzen - auch gegen die Widerstände aus der eigenen Bevölkerung. In gewohnter Manier protestieren vor allem Staatsbedienstete gegen die angekündigten Reformmaßnahmen: Seit Montag kommt es zu Streiks bei der Athener U-Bahn. Die mächtige Beamtengewerkschaft ADEDY hat für Ende des Monats einen groß angelegten Streik angekündigt, und auch die Gewerkschaft des staatlichen Stromversorgers DEH droht mit Protestaktionen gegen ihre angepeilte Privatisierung.
Zudem kamen am Dienstag Tausende Rentner zu einer Spontankundgebung vor dem Athener Finanzministerium zusammen und forderten erfolglos Minister Tsakalotos zum Gespräch auf. Bei hochsommerlichen Temperaturen mussten die Rentner jedoch erschöpft aufgeben - und wurden auf ein Treffen mit Tsakalotos am kommenden Montag vertröstet.