Countdown für Griechenland
18. Juni 2015Weder der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble noch der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sehen eine realistische Chance, dass der Schuldenstreit mit Griechenland beim Treffen der Euro-Gruppe in Luxemburg gelöst werden kann. Varoufakis sagte vor seinem Eintreffen in Luxemburg, er glaube das nicht. "Jetzt ist es an der Zeit für die politischen Führer, eine Lösung zu erreichen", sagte Varoufakis am Mittwochabend in Paris. Eine der angesprochenen politischen Führerinnen, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, mahnte die Griechen in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin, sie seien jetzt am Zuge. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", so Merkel.
Nächste Station: EU-Gipfel
Möglich wären also erneute Verhandlungen der EU-Staats- und Regierungschefs mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras kommende Woche beim ohnehin angesetzten EU-Gipfel in Brüssel. Möglich wäre auch ein erneuter Sondergipfel der 19 Euro-Staaten. Doch frustierte EU-Diplomaten in Luxemburg weisen daraufhin, dass es solche Sondergipfel in den vergangenen vier Monate nun schon etliche gegeben habe, ohne dass ein Durchbruch erreicht wurde. "Außerdem müssen die formalen Beschlüsse zum Abschluß des Hilfsprogramms und zur Auszahlung der ausstehenden 7,2 Milliarden Euro sowieso von den Finanzministern getroffen werden", so ein EU-Mitarbeier. Zeitlich würde es sehr eng, um noch alle Formalien zu erfüllen und die Zustimmung verschiedener nationaler Parlamente einzuholen. Das Hilfsprogramm, um das seit Amtsantritt des linksradikalen Ministerpräsidenten Tsipras im Januar, erbittert gestritten wird, läuft am 30. Juni automatisch aus.
Kommt die große Lösung zustande?
Bei den Vertretern der drei Kreditgeber, Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission, vermutet man inzwischen, dass die griechische Regierung mit dem Kopf durch die Wand wolle und alles auf eine Karte setze. "Die Griechen scheinen zu glauben, dass die Euro-Gruppe sie nicht pleite gehen lassen wird, um den Euro nicht zu gefährden. Am Ende könnten sie Hilfen ohne die bisherigen Auflagen durchsetzen", vermutet ein EU-Offizieller. Die "poltische Lösung", die der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis auch in Luxemburg wieder fordern wird, umfasst einen Schuldenschnitt oder zumindest eine Umschuldung der staatlichen Verbindlichkeiten vor allem gegenüber dem IWF und der EZB. Darüber könne man reden, aber erst nachdem das jetzt laufende Programm korrekt abgwickelt sei. "Die Griechen haben sich zur Einhaltung der Regeln verpflichtet und daran sollten sie sich jetzt auch halten", sagte dazu ein EU-Vertreter.
Der Chef des europäischen Rettungfonds ESM, Klaus Regling, erinnerte in Luxemburg daran, dass Griechenland bis zu den Wahlen im Januar eigentlich auf einem ganz guten Weg war. Die anderen Krisenländer, Irland, Portugal und Spanien zahlten ihre Schulden beim Rettungsfonds inzwischen sogar zurück. "Griechenland ist eine andere Kategorie. Bis Mitte letzten Jahres gab es erhebliche Fortschritte. Die Wettbewerbsfähigkeit wurde erhöht, das Wachstum kehrte zurück. Der Staat war sogar in der Lage, eine neue Anleihe auszugeben. Aber seit Ende letzten Jahres hat sich die Situation sehr verschlechtert", so Klaus Regling. Griechische Medien berichten, dass die Wirtschaft wieder schrumpfe und die griechischen Banken massiv unter Druck stehen. Die Griechen heben verstärkt Geld ab und gleichzeitig steigt das Volumen der faulen Kredite, die nicht mehr zurückgezahlt werden können. Noch stützt die Europäische Zentralbank die vier großen Banken, in dem sie "Notfallkredite" genehmigt. Doch dieser Zustand könne nicht ewig weitergehen, heißt es von der Zentralbank in Frankfurt.
Möglicherweise Neuwahlen in Griechenland
Die griechische Regierung hat unterdessen Kontrollen des Kapitalverkehrs abgelehnt. Der stellvertretende Minister für internationale Wirtschaftsbeziehungen, Euklid Tsakalotos, sagte in einem Interview mit der BBC, wenn seine Regierung keine Einigung mit den Europäern erreichen könne, werde es Neuwahlen oder ein Referendum geben. "Wir haben kein Mandat von den griechischen Bürgern erhalten, um den Euro aufzugeben", sagte Tsakalotos. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, warnte davor, Griechenland um jeden Preis in der Euro-Zone halten zu wollen. Mögliche Ansteckungsgefahren, die von einem griechischen Ausscheiden aus der Euro-Zone ausgingen, dürften kein Freibrief für Athen sein, sagte Weidman in einem Interview mit ausländischen Zeitungen. "Eine Aufkündigung der Vereinbarungen und ein Stopp der Rückzahlungen an die hilfegewährenden Partner oder die EZB hätten für Griechenland sicherlich schwer zu kontrollierende Folgen. Letztlich liegt die Verantwortung für den Verbleib des Landes im Euroraum bei der griechischen Regierung." Das ist auch die einhellige Auffassung bei den Euro-Finanzministern in Luxemburg. Der Ball liegt im Feld Griechenlands.