Liebestoll in Irland
3. Oktober 2008
Kuppelei mit Tradition
Schon vor 150 Jahren trafen sich hier einsame Farmer nach der Erntezeit, um Ausschau nach einer geeigneten Braut zu halten. Heute ist das nicht anders, doch ein Besuch im "Hydro Hotel“ am Ortseingang macht klar, dass die Iren längst nicht mehr unter sich sind.
Der 50-jährige Siggi aus Bayern arbeitet seit sechs Jahren als Küchenchef in dem Hotel und er ist vom Matchmaking Festival begeistert: "Es kommen jede Menge Leute aus der ganzen Welt: Amerikaner, Spanier, Franzosen und Portugiesen treffen sich zum Tanzen und Trinken. Da geht hier der Punk ab!", schwärmt er.
Sechs Wochen Ausnahmezustand
Für einen kleinen Ort mit nur 800 Einwohnern hat Lisdoonvarna eine beachtliche Anzahl Pubs zu bieten. Hier feiern während der sechs Festivalwochen tausende Einheimische und Touristen. Zwei Millionen Euro Umsatz bringt das Geschäft mit der Liebe, schätzen die Veranstalter - wichtig für den Ort und die Region.
In der Ecke der dröhnend lauten "Matchmaker-Bar“ sitzt der wohl bekannteste Mann des Festivals: Schlank, mit weißen Haaren und Weihnachtsmann-Bart bezeichnet Willie Daly sich selbst als den traditionellen irischen Verkuppler. Seine Aufgabe ist es, Partner für die Frauen und Männer zu finden: "Und es gibt viele Menschen in Irland, die nicht hier herumlaufen würden, wenn es den Verkuppler nicht gegeben hätte“, erzählt Willie stolz.
Gefühle statt Technologie
Vor ihm liegen zwei dicke Papierstapel, eine Art vergilbte Vermittlungskartei, denn Computer mag der Mittsechziger nicht. Überhaupt kommt Lisdoonvarna ohne viel Technologie aus: Das Internetcafé ist nur zwei Stunden am Tag geöffnet und einen Bankautomaten suchen die Bierdurstigen vergeblich.
Auch Willie ist immerhin schon in der dritten Generation Verkuppler und hat nach eigenen Angaben in den 41 Jahren seiner Tätigkeit etwa 5000 bis 6000 Paare einander bekannt gemacht. Für zehn Euro bekommt man ein Anmeldeformular, das jedoch recht dürftige Informationen abfragt: Alter, Familienstand, Wünsche an den Zukünftigen.
Liebe oder Abenteuer?
Eine der Suchenden ist Veronica aus der irischen Grafschaft Offaly. Die breitschultrige Blondine war schon ein paarmal in Lisdoonvarna und kommt, wie sie sagt, wegen der netten Leute wieder: "Es gibt immer Männer, die einen ansprechen oder mit einem tanzen und das ist gut für das Ego!“ Die Landschaftsgärtnerin meint es ernst mit der Suche nach dem Richtigen. Schließlich sei sie 38 Jahre alt und da sei es schwierig, noch jemanden zu finden. Doch in Lisdoonvarna feiern alle Altergruppen, egal ob 18 oder 80.
Wie viele wirklich auf der Suche nach einem Lebenspartner sind, ist schwer zu sagen. Tatsache ist, dass viele Farmer ihr schönstes Hemd aus dem Schrank gekramt haben und viele Frauen mit gewagten Ausschnitten und reichlich Make-up flanieren gehen.
Jeder hat eine Chance
"Wenn man jemand gut Aussehenden vorbeigehen sieht, Mann oder Frau, und sie haben sich schick gemacht, dann hoffen sie im Stillen darauf, jemanden kennen zu lernen", erklärt Willie Daly. Warum sollten sie sonst in seinen Ort kommen? Dabei sei es egal, ob die Menschen groß und schön oder klein und dick seien. Für Letztere sei es vielleicht ein bisschen schwieriger, doch auch sie könnten Glück haben: "Auf dem Festival gibt es für jeden etwas!“, sagt er.
Für Hotelkoch Siggi gab es ein Happy End mit einer Dame aus Lettland. Mit Angela ist er jetzt seit fünf Jahren zusammen. Der Traum von der großen Liebe in Lisdoonvarna - er kann wahr werden.