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Linke: Merkel zerstört europäische Idee

17. Januar 2012

Den Sozialisten gelingt es nicht, Kapital aus der Schuldenkrise zu schlagen. Die Umfragewerte sind schlecht. Deshalb setzt die Partei Die Linke jetzt stärker denn je auf außerparlamentarische Opposition.

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Klaus Ernst, Vorsitzender der Partei Die Linke, spricht in Berlin beim politischen Jahresauftakt seiner Partei. (Foto: dapd)
Linke-Parteichef Klaus ErnstBild: dapd

Im Januar gedenken die deutschen Linken traditionell ihrer historischen Vorbilder Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Auf dem Friedhof der Sozialisten im Berliner Stadtteil Friedrichsfelde legten sie an den Gräbern der 1919 ermordeten Kommunistenführer Nelken und Kränze nieder. Noch vor wenigen Jahren nahmen bis zu hunderttausend Menschen an der Veranstaltung teil, an diesem Sonntag (15.01.2012) waren es nach Angaben der Polizei lediglich fünftausend. Die Linke selbst zählte zwar doppelt so viele, doch dürfte sie von der Resonanz trotzdem enttäuscht gewesen sein.

Die nachlassende Beteiligung am Luxemburg/Liebknecht-Gedenken korrespondiert mit dem wachsenden Desinteresse an der Linken insgesamt. Bei der Bundestagswahl 2009 erhielt die zwei Jahre zuvor aus ostdeutschen Ex-Kommunisten und enttäuschten Sozialdemokraten aus dem Westen entstandene Partei knapp zwölf Prozent der Stimmen. In aktuellen Umfragen ist der Zuspruch auf die Hälfte geschrumpft. Das erstaunlich gute Ergebnis 2009 war vor allem der Erfolg eines ehemaligen Sozialdemokraten. Oskar Lafontaine, SPD-Vorsitzender zu Zeiten des Bundeskanzlers Gerhard Schröder und aus Frust zu den Linken gewechselt, mobilisierte als deren neuer Chef viele Wähler im Westen.

Das Zwischenhoch ist längst verflogen

'Luxemburg, Liebknecht, Lenin. Niemand ist vergessen! Aufstehen und Widersetzen' steht in Berlin auf einem Transparent, das während des Gedenkmarsches für am 15. Januar 1919 ermordeten Sozialisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu sehen war (Foto: dpa)
Weniger Zulauf beim Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl LiebknechtBild: picture-alliance/dpa

Bei den zahlreichen Landtagswahlen 2011 verpassten die Sozialisten allerdings sämtliche Ziele. Im Stadtstaat Berlin flogen sie nach zehn Jahren an der Seite der SPD aus der Regierung. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen zogen die Sozialdemokraten ein Bündnis mit Angela Merkels Konservativen (CDU) vor. Und in den westdeutschen Flächenländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verpassten die Linken sogar den Einzug ins Parlament.

Die Schwäche der Linken hat sowohl politische als auch personelle Gründe. Im Gegensatz zum Rest Europas hat Deutschland die seit 2008 schwelende Schulden- und Eurokrise ganz gut überstanden. Während die Arbeitslosigkeit in fast allen EU-Ländern Rekordhöhen erreicht, sinkt sie in der größten Volkswirtschaft des Euroraums sogar. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es gelungen, diese Entwicklung als Erfolg ihrer Politik zu verkaufen. Klassische linke Forderungen wie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns verpuffen überwiegend, obwohl der vergleichsweise stabile Arbeitsmarkt auch eine Folge des massiv ausgeweiteten Niedriglohnsektors ist.

Protest soll stärker auf die Straße verlegt werden

Um den Druck auf Merkels konservativ-liberale Koalition zu erhöhen, will die Linke jetzt stärker auf die europäische Karte setzen. Aus ihrer Sicht bedient die deutsche Regierungschefin gemeinsam mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nationalistische Ressentiments. Der Druck auf kriselnde EU-Länder, allen voran Griechenland, sei der Versuch, das Sozialstaatssystem zu zerschlagen, wettert die deutsche Linke. "Merkel und Sarkozy zerstören die europäische Idee", empört sich Partei-Chef Klaus Ernst. Um dem erfolgreich etwas entgegenzusetzen, sei die Linke parlamentarisch zu schwach, räumt der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär ein. Deshalb will Ernst gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern den Protest mehr auf die Straße tragen.

Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi (M), steht beim politischen Jahresauftakt seiner Partei in Berlin zwischen den Parteivorsitzenden der Linkspartei, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, und winkt ins Publikum (Foto: dpa)
Fraktionschef Gysi zwischen den Parteichefs Ernst und LötzschBild: picture alliance / dpa

Schulterschlüsse mit der außerparlamentarischen Opposition haben der Linken allerdings zuletzt keinen nachhaltigen Erfolg beschert. Jüngster Beleg ist die inzwischen abflauende Occupy-Bewegung. Deren von der Wall Street in New York ausgehender Elan ist in Deutschland längst erlahmt. Anfang Januar wurde in Berlin das Zeltlager neben dem Kanzleramt von der Polizei geräumt. Der Druck von der Straße lässt also spürbar nach. Das gilt auch für andere politisch brisante Fragen. Durch den Atomausstieg ist auf diesem Feld ebenso die Luft raus wie beim Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Durch den von der Bundesregierung - wenn auch vage - angekündigten Abzug kann die Antikriegs-Partei mit diesem emotional stark besetzten Thema viel weniger punkten als früher.

Der politische Zeitgeist ist nicht links

Der politische Zeitgeist in Deutschland meint es insgesamt also alles andere als gut mit der Linken. Schuld daran sind aber nicht nur die anderen Parteien, die einschließlich der Grünen zunehmend in die Mitte gerückt sind und damit mehr oder weniger gut fahren. Schuld sich auch die Linken selbst, weil sie sich seit Jahren mehr mit sich selbst als mit den "Sorgen der Menschen" beschäftigen, wie sie selbstkritisch einräumen. Dem krankheitsbedingten Rückzug Oskar Lafontaines vom Parteivorsitz folgten endlose Personal-Querelen, die nach wie vor für mehr Schlagzeilen sorgen als politische Initiativen. Damit soll es ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl 2013 vorbei sein. Beim politischen Jahresauftakt in Berlin (16.01.2012) forderte der aus dem Westen stammende Linken-Vorsitzende Klaus Ernst mehr "Solidarität in den eigenen Reihen".

Letzte Hoffnung Gysi und Lafontaine

Der ehemalige Vorsitzende der Linken Oskar Lafontaine, gestikuliert am 23.10.2011 auf dem Bundesparteitag der Partei Die Linke in Erfurt während seiner Rede (Foto: dapd)
Vor dem Comeback? Oskar LafontaineBild: dapd

Ob Ernst auf dem nächsten Parteitag im Juni in Göttingen wieder antritt, lässt er seit Monaten offen. Die ostdeutsche Gesine Lötzsch, mit der sich Ernst den Chefsessel teilt, will wieder kandidieren. Und der gerade 64 Jahre alt gewordene charismatische Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Gregor Gysi, träumt weiterhin von einem bundespolitischen Comeback des 68-jährigen Oskar Lafontaine. Dieses bei Wahlen zweifelsohne ernstzunehmende Duo wäre sicherlich noch am ehesten in der Lage, der angeschlagenen Linken lange nicht mehr erlebte Erfolgserlebnisse zu bescheren. Ob es eine zukunftsweisende Strategie wäre, weiter mit diesen beiden an der Spitze in den politischen Kampf zu ziehen, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Klaus Jansen