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Neue politische Literatur aus Nigeria

Katrin Gänsler
27. Oktober 2019

In Nigeria ist die Literaturszene in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Viele Autoren widmen sich politischen Themen und beginnen, die von Sklaverei und Kolonialismus geprägte Vergangenheit aufzuarbeiten.

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Autorin Chika Unigwe auf dem Literaturfestival in Lagos |
Schriftstellerin Chika Unigwe wünscht sich mehr weibliche Vorbilder in der LiteraturBild: DW/K. Gänsler

Logan February bringt es in seinen Gedichten mit wenigen Worten auf den Punkt. Der 20-jährige Studierende, der in der nigerianischen Megacity Lagos lebt, schreibt in seinem Gedichtband "In the Nude" über Liebe, "schöne Männer" und "Ehemänner". Er ist Teil der queeren Literatur-Szene seines Heimatlandes Nigeria.

In den vergangenen Jahren sind gleich mehrere Bücher erschienen, die zu dieser Szene gerechnet werden können: "Under the Udala Trees" von Chinelo Okparanta, "When we speak of Nothing" von Olumide Popoola sowie der Sammelband "She Called Me Woman: Nigeria's Queer Women". "Ich bin sehr optimistisch, was queere Literatur angeht", sagt February im DW-Interview.

Portrait des Schriftstellers Logan February
Logan Ferbuary hofft, mit queerer Literatur mehr Empathie in der Gesellschaft zu weckenBild: DW/K. Gänsler

Er sieht auch in seinem Buch einen wichtigen Beitrag, in der Gesellschaft Vorstellungen über das Queersein zu ändern und mehr Empathie dafür zu schaffen. "Die Realität", so gibt er zu, "ist nicht so gut". Homosexualität ist Nigeria immer noch illegal und kann mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Vielversprechende Entwicklung: Neue Autoren

Wichtige gesellschaftliche Themen wie diese anzusprechen, ist nach Einschätzung von Lola Shoneyin eine aktuelle Entwicklung in der afrikanischen Literatur. "Selbst Romane, die auf den ersten Blick nicht politisch erscheinen, sind von großer Relevanz", sagt die Autorin, die als Verlegerin das nigerianische Kunst- und Literaturfestivals Aké in der Hauptstadt Lagos gegründet hat.

Gründerin des Literaturfestival in Lagos: Lola Shoneyin
Lola Shoneyin hat das Aké-Festival 2013 in Lagos gegründetBild: DW/K. Gänsler

Ein weiterer Trend in der Literaturszene sei die Debatte über Sklaverei: Vor 400 Jahren kamen die ersten Sklaven in Amerika an. Die Folgen sind auf beiden Kontinenten bis heute spürbar. Auch der Kolonialismus und der Umgang mit den kulturellen und gesellschaftlichen Folgen ist ein vieldiskutiertes Thema auf dem Festival. Lola Shoneyin fordert dazu auf, über Narben und offene Wunden öffentlich zu sprechen, und was in der afrikanischen Gesellschaft für einen Heilungsprozess getan werden kann.

Literatur schafft auch Vorbilder

Zu diesem Heilungspozess gehört Literatur, die eine Identifikation mit Afrika möglich macht. Obwohl gerade in Nigeria jedes Jahr eine Reihe von Romanen erscheinen, in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit Kachifo Limited, Cassava Republic sowie Ouida Books gleich mehrere Verlage gegründet wurden und Schriftsteller*innen zunehmend internationale Anerkennung finden, wird die Literaturszene von Europa und den USA dominiert.

Autorin Bernadine Evaristo  am Büchertisch in Lagos
Vorbilder sind wichtig, sagt Bernadine EvaristoBild: DW/K. Gänsler

Für Bernadine Evaristo, die gemeinsam mit Margaret Atwood den Booker Prize 2019 gewonnen hat, war es deshalb so wichtig, in ihrem Roman "Girl, Woman, Other" die Geschichten von zwölf schwarzen Frauen zu erzählen. Alle leben in Großbritannien. "Fusion Fiction" nennt sie ihren Roman, mit dem sie 2013 begonnen hat. Die Geschichten sind mal mehr, mal weniger miteinander verbunden.

Nach Vorbildern hat Evaristo oft suchen müssen, erzählt sie während des Aké-Festivals. "Meine absolute Lieblingsschriftstellerin war Toni Morrison, da sie eine afroamerikanische Schriftstellerin war und ihre Geschichten, die unbedingt erzählt werden mussten, aus dieser Perspektive geschrieben hat." Ihr Vater stammt aus Nigeria. In England, wo sie mit ihrer Familie aufgewachsen ist, fand sie als Teenager aber keine mit Morrison vergleichbare Literatur.

Debatten über Rassismus anstoßen

Bücher wie diese ermöglichen auch in der Diaspora eine nachhaltige Debatte über die ansteigende Fremdenfeindlichkeit. Für Bernadine Evaristo ist in England der Brexit ein Wendepunkt gewesen. "Wir haben eine Kultur, in der Demagogen nicht mehr zu bändigen sind. Sie beherrschen unsere Gesellschaft und sprechen die niedersten Instinkte an." Neben Rassismus würden auch Homophobie und Sexismus zunehmen. "Das ist extrem beunruhigend", sagt Evaristo.

Auf der Bühne: Diskussionsrunde auf dem Literaturfestival in Lagos
Engagierte Diskussionen: Sklaverei und Kolonialismus sind in Lagos ThemaBild: DW/K. Gänsler

Auch die nigerianische Schriftstellerin Chika Unigwe (Artikelbild oben), deren neuer Roman den Titel "Better never then late" trägt, hat immer wieder rassistische Äußerungen anhören müssen. "In den USA, wo ich jetzt lebe, ist es weniger geworden. Menschen verstecken es eher."

In Belgien, wo sie zuvor gelebt habe, sei vielen Menschen häufig aber nicht einmal bewusst gewesen, wenn sie sich rassistisch geäußert hätten. "Entschuldigen möchte ich das aber nicht", sagt Unigwe im DW-Interview.

Auch im Literaturbetrieb komme es immer wieder zu einer Ungleichbehandlung. Etwa dann, wenn sie bei Podiumsdiskussionen als afrikanische Schriftstellerin bezeichnet würde, andere Teilnehmer aber nicht als britische oder US-amerikanische Schriftsteller. "Ich bin zwar eine afrikanische Schriftstellerin. Aber das ist sehr ermüdend. Das ist meine Perspektive, aus der ich schreibe."