Literaturpreis für Marjana Gaponenko
1. März 2013Mit ihrem Buch "Wer ist Martha?" hat Marjana Gaponenko einen neuen, aufregenden Ton in die deutschsprachige Gegenwartsprosa gebracht, so die Begründung der Jury der Robert-Bosch-Stiftung, die den Adelbert-von-Chamisso-Preis verleiht. Der 31-Jährigen sei eine "ebenso zärtliche wie komische Feier der Schönheit des menschlichen Lebens" gelungen. Überreicht wird der Autorin der mit 15.000 Euro dotierte Adelbert-von-Chamisso-Preis 2013 für herausragende Beiträge zur deutschsprachigen Literatur am 28. Februar in München.
In ihrem Buch erzählt Gaponenko die Geschichte des 96-jährigen Vogelkundlers Luka Lewadski. Er verbringt die letzten Wochen seines Lebens in einem Wiener Grandhotel und kehrt damit an den Ort seiner Jugend zurück. "Ein krebskranker Mann sollte in eine Klinik, aber meine Hauptfigur fliegt stattdessen nach Wien", erzählt Gaponenko im Gespräch mit der DW. Dort versucht Lewadski sich an den Namen eines Mädchens zu erinnern, in das er als Kind verliebt war. "Wer ist Martha?" - die Frage bleibt bis zum Ende ein Geheimnis, auch wenn schon zu Beginn des Romans eine Martha vorgestellt wird: das letzte Exemplar einer Wandertaube, deren Gattung genau an dem Tag ausstarb, als der künftige Vogelkundler Lewadski geboren wurde.
Von Odessa nach Münster
Mit dem Preis ehrt die Robert-Bosch-Stiftung Beiträge zur deutschsprachigen Literatur von Autoren, deren Werk von einem Sprach- oder Kulturwechsel geprägt ist. Gaponenko wurde 1981 in Odessa geboren. Ihre Mutter ist Russin, ihr Vater Georgier. Die Kindheit verbrachte sie in der Stadt am Schwarzen Meer. Nach Deutschland kam Gaponenko erst im Alter von 19 Jahren.
Nachdem ihre Gedichte in deutschen Zeitschriften erschienen waren, erhielt sie ein Literaturstipendium. Gaponenko engagierte sich sechs Monate lang im "Künstlerdorf" nahe Münster. An der Fakultät für Romanistik und Germanistik der Universität Odessa schloss sie ein Fernstudium ab. Im Jahr 2010 erschien ihr erster Roman "Annuschka Blume", den sie - wie den schon zuvor veröffentlichen Gedichtband - ebenfalls in deutscher Sprache verfasste.
Mit Mandelstam begann eine Leidenschaft
"Mit 15 Jahren fing ich an, auf Deutsch zu schreiben", so Gaponenko. Deutsch habe sie noch in der Schule in der Ukraine gelernt. Der Weg zur deutschen literarischen Arbeit sei aber hart gewesen. "Deutsch hat mich buchstäblich Schweiß und Blut gekostet", so Gaponenko. In einer Bibliothek habe sie alles ausgeliehen, was in deutscher Sprache vorhanden gewesen sei. Das erste literarische Werk, mit dem sie Deutsch gelernt habe, sei eine Gedichtsammlung von Ossip Mandelstam gewesen. In ihr seien die Gedichte parallel in russischer und deutscher Sprache abgedruckt. "Dieses Buch markiert den Beginn meiner Leidenschaft", berichtet die junge Autorin.
Auf Russisch oder Ukrainisch hat Gaponenko nie Gedichte oder Bücher geschrieben. Was den Roman "Wer ist Martha?" angeht, so liegen bislang keine Angebote vor, ihn ins Russische oder Ukrainische zu übersetzen. Aber nächstes Jahr soll eine französische Ausgabe erscheinen.
Dritter Roman in Arbeit
Derzeit arbeitet Marjana Gaponenko an ihrem dritten Roman. "Meine Arbeitsweise ist wie folgt: Erst schreibe ich ein oder zwei Kapitel. Dann lese ich etwa ein Jahr lang Fachliteratur, und erst dann schreibe ich an dem Roman weiter", erzählt Gaponenko.
Da die Hauptfigur ihres von der Robert-Bosch-Stiftung ausgezeichneten Romans "Wer ist Martha?", Luka Lewadski, Vogelkundler ist, finden sich in Gaponenko Privatbibliothek heute eine Menge Fachbücher über Vögel. Die Hauptfigur ihres nächsten Romans ist ein Historiker und Philosoph, dessen Sohn sich für die Forstwirtschaft begeistert. "Jetzt lese ich viel über Wald und Baumarten", so die Schriftstellerin.